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«Toll, Teil dieses Spektakels zu sein»

Alessandro Dudic ist einer der besten Fussballschiedsrichter der Schweiz. Der Berner Anwalt sagt, dass Unparteiische auf dem Platz nicht immer Recht haben müssen, und spricht über seinen Umgang mit Shitstorms.

Du hast mit 16 entschieden, Schiedsrichter zu werden. Andere spielen in diesem Alter selbst Fussball. 
Fussball war immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich begann mit 5 Jahren und spielte unter anderem bei den YB-Junioren. Mit 16 kam ich über meinen Vater, selbst Schiedsrichter, zur Schiedsrichterei. Er meinte, das sei doch eine gute Art, mein erstes Geld zu verdienen. Mit 19 entschied ich mich für die Schiedsrichterkarriere, weil ich dort die grösseren Erfolgsaussichten gesehen habe denn als Spieler.

Sind Juristen die besseren Schiedsrichter?
Man muss auf dem Platz nicht immer Recht haben. Wir Schiedsrichter sagen, dass von zehn Entscheiden neun stimmen müssen und einer clever sein muss.

Das musst du erklären …
In hitzigen Situationen ist es manchmal besser, im Sinne einer Deeskalation abzuwägen. Wenn zum Beispiel ein Spieler bereits die gelbe Karte gesehen hat und kurz darauf ein weiteres gelbwürdiges Foul begeht, ist manchmal Fingerspitzengefühl gefragt.

Hilft der Schiri in dir manchmal auch in deinem Beruf als Jurist?
Ganz klar. Auf dem Feld braucht es unter anderem Sozialkompetenz und Empathie. Die Erfahrungen im Umgang mit Spielern und Trainern helfen, schnelle Entscheide zu treffen. 

Was macht den Reiz aus, Schiedsrichter zu sein?
Es ist toll, Teil dieses Spektakels zu sein, und ein riesiges Privileg, das Hobby zum Beruf machen zu können. Es ist herausfordernd, mit 22 Menschen und deren Emotionen auf dem Feld umgehen zu können und physisch wie psychisch 90 Minuten stabil zu bleiben. 

Du bist Halbprofi und arbeitest 50 Prozent bei der Protekta. Welche Karriere ist dir wichtiger?
Ich habe vielleicht noch zehn Jahre als Spitzenschiedsrichter vor mir und möchte herausfinden, wie weit ich es international bringen kann. Ich arbeite hart daran, dass sich der Traum von einem Champions-League-Spiel vielleicht einmal erfüllt. Die Protekta ist ein grosser Teil meines Erfolgs. Ich kann sehr flexibel arbeiten und gehe immer mit einem freien Kopf ins Training und an die Spiele, weil ich ein verständnisvolles Team im Rücken habe.

Schiedsrichter brauchen ein dickes Fell. Auch du musstest schon Shitstorms über dich ergehen lassen. Was macht das mit einem?
Ich versuche, solche Reaktionen nicht persönlich zu nehmen und zu differenzieren. Es geht ja um meine Rolle, nicht um meine Person.

Du bist vor knapp einem Jahr nach einem Fehlentscheid im Klassiker FC Basel gegen FC Zürich vor die Medien getreten. Das hat Mut gebraucht.
Nach Absprache mit dem Fussballverband wollte ich selbst Stellung nehmen, weil ich es für richtig und wichtig befand. Wir Schiedsrichter geben grundsätzlich mehr Interviews als früher. Es ist wichtig, dass auch wir eine Plattform haben, um unsere Entscheide zu begründen, wenn es nötig ist. Das schafft Verständnis. Wir sind keine Roboter, sondern Menschen. Und Menschen machen Fehler.

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