Wie Stress nicht krank macht
Chronischer Stress am Arbeitsplatz ist schädlich und kostet die Wirtschaft jährlich Milliardenbeträge. Und er nimmt zu. Wie können Sie Ihre Mitarbeitenden vor chronischem Stress schützen? Es gibt grosse und kleine Massnahmen, die helfen.
Arbeitsbezogener Stress kostete die Arbeitgebenden im Jahr 2020 rund 7.6 Mrd. CHF. Im Jahr 2014 waren es 5.6 Mrd. CHF. Auf diese Zahlen kommt die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. In dem seit 2014 jährlich durchgeführten Job-Stress-Index bei Erwerbstätigen in der Schweiz zeigt sich eine beunruhigende Entwicklung. Zwar sind bei etwa der Hälfte der Arbeitnehmenden Ressourcen und Belastungen im Job ausgeglichen. Aber der Anteil jener steigt, die stärker belastet sind als sie Ressourcen haben: von 24.8% im Jahr 2014 auf 29.6% im 2020. Drei von zehn Erwerbstätigen sind betroffen und fühlen sich emotional erschöpft – ein Zeichen für den gefährlichen, chronischen Stress.
Stressfaktor Digitalisierung
Eine mögliche Erklärung dafür ist die zunehmende Digitalisierung. Sie erfordert neue Fähigkeiten am Arbeitsplatz und erhöht das empfundene Arbeitstempo, wie die Befragten im Job-Stress-Index angeben. Das Thema ist seit Pandemiebeginn besonders aktuell. Denn im Homeoffice arbeiten wir so digital wie nie. Sogar ein neuer Stressfaktor mit eigener Bezeichnung dafür ist aufgetaucht: Die Videokonferenz-Erschöpfung, auf Englisch «Zoom-Fatigue».
Akuter versus chronischer Stress
Stress ist nicht per se schlecht. Im Gegenteil: Akuter Stress mobilisiert Hormone, die uns helfen, uns zu fokussieren und die uns zu Höchstleistungen antreiben. Genauso wichtig ist allerdings die Fähigkeit, nach einer Stressphase abschalten zu können. Der Körper braucht Ruhephasen, um herunterzufahren und sich zu regenerieren. Bei chronischem Stress ist diese Fähigkeit beeinträchtigt, der Körper erholt sich nicht mehr. Darunter leidet nicht nur die Gesundheit der Mitarbeitenden und ihrer Familien. Wenn Mitarbeitende schlechter arbeiten oder gar ausfallen, wird das auch für ihre Unternehmen zum Problem.
Stress-Frühwarnsystem im Blick
Was passiert, wenn wir gestresst sind, und wie können wir chronischen Stress verhindern? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein interdisziplinäres Forschungsteam im Mobiliar Lab für Analytik an der ETH Zürich. Das Lab arbeitet an einem Frühwarnsystem, um Stress bei der Arbeit am Computer zu erkennen und zu reduzieren.
Der Körper reagiert
Als erster Schritt wurde ein Experiment mit 90 Teilnehmenden in simulierten Grossraumbüros durchgeführt. Drei Gruppen wurden unterschiedlichem Stress durch Arbeitsunterbrechungen ausgesetzt, während sie typische Büroarbeiten verrichteten. Dabei wurden ihre Reaktionen mit Fragebögen zum Wohlbefinden erfasst sowie mit Messungen des Herzschlags und des Stresshormons Kortisol im Speichel. Das Forscherteam konnte messen, wie sich sozialer Stress – zum Beispiel eine Konkurrenzsituation um eine frei erfundene Beförderung – auf die Menge des freigesetzten Kortisols auswirkte. Zudem zeigte sich, dass diese Reaktion bei der Gruppe stärker war, die zusätzlich Arbeitsunterbrechungen ausgesetzt war. Diese Erkenntnisse fliessen nun in die weitere Forschung mit ein. Das Ziel: Mit personalisierten digitalen Interventionen sollen sich Menschen gezielt entspannen und so chronischem Stress vorbeugen.
In die Gesundheit der Mitarbeitenden investieren
Ungünstige Arbeitsbedingungen und deren Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden, damit beschäftigt sich auch das Kompetenzzentrum Betriebliches Gesundheitsmanagement der Mobiliar. Das Kompetenzzentrum unterstützt Unternehmen dabei, ein ganzheitlich ausgerichtetes Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) aufzubauen. Das umfasst Themen wie wertschätzendes, unterstützendes Verhalten der Vorgesetzten und Wissensvermittlung rund um Stress- und Burnout-Prävention sowie Resilienz. Chronischer Stress kann nicht immer verhindert werden. Aber mit einem BGM wird er schneller erkannt und der betroffenen Person kann frühzeitig geholfen werden – zum Wohl der Mitarbeitenden, ihrer Familien und dem Unternehmen.