
Nachbarschaftsstreit
Eigenheim: NachbarschaftsstreitOb Eigenheim- oder Stockwerkeigentümer:innen: Nachbarschaftsstreitigkeiten lassen sich oft auch hier nicht vermeiden. Überwucherte Hecken, Rauch vom Grillieren, Kindergeschrei oder ständiges Hundegebell – wann sind rechtliche Schritte sinnvoll und wie wehren Sie sich effektiv?
- Lesezeit: 7 Minuten
- Letztes Update: Dezember 2024
Nachbarrecht
Wer in einer Gemeinschaft lebt, muss mässige Lärm-, Licht- und Geruchsbelästigungen durch Nachbar:innen akzeptieren. Das sagt das Zivilgesetzbuch (ZGB) dazu:
ZGB Art. 684:
«Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder durch den Entzug von Besonnung oder Tageslicht.»
Was aber als «gerechtfertigt» oder «übermässig» betrachtet wird, hängt vom Einzelfall ab. Ob eine Handlung als störend empfunden wird, ist bekanntlich sehr subjektiv – was eben zu Konflikten führt. Das Recht knüpft jedoch an einen objektiven Massstab an (das Empfinden eines «normalen Durchschnittsmenschen»), weshalb sich einzelne Betroffene manchmal zu wenig verstanden fühlen können.
Immissionen im Nachbarrecht
Die im Gesetz genannten Immissionsbeispiele (Auflistung nicht abschliessend) können in verschiedene Arten von Immissionen unterschieden werden:
- Materielle (z. B. Lärm oder Rauch)
- Negative (z. B. Entzug von Sonnenlicht oder Versperren der Sicht durch eine neu gebaute Garage). Die Beeinträchtigung der Aussicht durch Pflanzen gilt gemäss Bundesgericht nur in Ausnahmefällen als übermässige negative Immission.
- Ideelle (z. B. wenn in der Nähe ein Schlachthof gebaut werden soll und dieser unangenehme psychische Eindrücke – z.B. starken Ekel – auslöst)
Nachbarschaftsstreit: Suchen Sie immer zuerst das Gespräch
Versuchen Sie es immer zuerst mit einem persönlichen Gespräch:
- Bitten Sie Ihre Nachbarin / Ihren Nachbarn um ein Treffen. Sich am Zaun, auf der Strasse oder über die Hecke hinweg Kritik an den Kopf zu werfen, löst das Problem nicht.
- Nehmen Sie sich Zeit, um Ihre Gedanken zu ordnen und Ihre Argumente sachlich und ohne emotionale Überreaktionen vorzubringen.
- Formulieren Sie Ihre Anliegen klar und beschränken Sie sich auf ein Thema.
- Vermeiden Sie es, alte Streitpunkte wieder aufzuwärmen und gehen Sie davon aus, dass Ihre Nachbar:innen nicht aus Böswilligkeit handeln.
- Schlagen Sie praktische Lösungen vor, wie das abwechselnde Schneiden der gemeinsamen Hecke oder feste Zeiten für Lärm.
- Stockwerkeigentümer:innen können den Sachverhalt an der Stockwerkeigentümerversammlung thematisieren, um gemeinsam eine gute Lösung oder einen Kompromiss zu finden.
- Halten Sie getroffene Vereinbarungen schriftlich fest.
- Eine neutrale dritte Person, z. B. ein:e unbeteiligte:r Nachbar:in, kann helfen, wenn beide Seiten einverstanden sind. Diese Person kann eine neue Perspektive und, im Idealfall, Lösungsvorschläge einbringen.
- Sollte dies nicht ausreichen, kann eine Mediation der nächste Schritt sein. Hierbei sucht der Mediator, die Mediatorin nach einer einvernehmlichen Lösung statt nach Gewinner:innen und Verlierer:innen. Die Parteien bringen ihre Vorschläge ein und der Mediator bzw. die Mediatorin hilft, die beste Lösung für beide Parteien zu finden. Die Vereinbarung sollte schriftlich festgehalten werden. Wichtig dabei zu wissen: Der Mediator, die Mediatorin vertritt die Interessen keiner Partei und ist daher neutral (vgl. dazu weiter unten).
- Beachten Sie, dass die gerichtliche Geltendmachung Ihrer Interessen meist als einzige oder einfachere Lösung erscheint. In Wirklichkeit löst dies jedoch nicht selten jahrelange, teure und anstrengende gerichtliche Gerichtsverfahren aus; am Ende gewinnt so häufig niemand.
Einen Mediator, eine Mediatorin finden
Eine Mediation bietet eine Alternative, um einen Streit beizulegen. Es handelt sich um ein freiwilliges und vertrauliches Verfahren, bei dem ein neutraler Mediator oder eine neutrale Mediatorin die Parteien unterstützt, selbst eine einvernehmliche Lösung zu finden. Dabei liegt der Fokus nicht auf Recht oder Unrecht oder dem Gewinn und Verlust, sondern auf der Suche nach einer Lösung, welche die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt.
Auf der Website des Schweizerischen Dachverbands für Mediation finden Sie eine umfassende Übersicht von Mediatoren und Mediatorinnen. Die Suche kann nach Kanton und Thema gefiltert werden, um den passenden Experten, die passende Expertin für Ihre Bedürfnisse und Ihre Situation zu finden: www.mediation-ch.org
Nachbarschaftsstreit: Kinderlärm
Nachbarn und Nachbarinnen müssen Rücksicht auf ihre Mitmenschen nehmen. Dies bedeutet auch, dass eine gewisse Toleranz von allen Seiten erwartet werden darf. Die Ruhezeiten in einer Stockwerkeigentümerschaft sind in der Regel in der Hausordnung festgelegt, meist über die Mittagszeit sowie von 22 Uhr bis 6 oder 7 Uhr.
Lautes Spielen von Kindern nach 22 Uhr sollte vermieden werden. Aber besonders bei kleinen Kindern ist es schwierig, sich immer strikt daranzuhalten. Gelegentliches nächtliches Schreien (zum Beispiel, wenn ein Baby schreit oder ein Kind Albträume oder Schmerzen hat) müssen die Nachbarn akzeptieren respektive dulden.
Sind bei Ihnen in der Nachbarschaft Streitpunkte vorhanden und möchten Sie wissen, wie sich das Gesetz dazu äussert, vergleichen Sie unsere weiteren Ratgeber im Zusammenhang mit dem Nachbarrecht:
Nachbarschaftsstreit: Hunde
Ein häufiges Konfliktthema ist das Hundegebell. Während gelegentliches Bellen für die Tiere normal ist und daher geduldet werden muss, darf es nicht zu einer unzumutbaren Belästigung für die Nachbar:innen werden. Können sich die Nachbar:innen nicht einigen und der Streit landet vor Gericht, wird der Richter, die Richterin die Situation vor Ort prüfen. Dazu werden Zeug:innen respektive andere Nachbar:innen befragt und der Ort besichtigt. Das Hundegebell wird dabei mit anderen Lärmquellen wie Autos oder Baustellen verglichen, um festzustellen, ob es übermässig ist.
Die Grenzwerte für Hundelärm sind aber gesetzlich nicht klar definiert. Der Richter, die Richterin kann jedoch die Eidgenössische Lärmschutzverordnung (LSV) und kantonale Hundegesetze heranziehen, um eine Entscheidung zu treffen. Zudem wird überprüft, ob der Tierhalter oder die Tierhalterin Massnahmen getroffen hat, um den Lärm zu reduzieren.
Auch hier gilt im Rahmen des Nachbarrechts: Das Hundegebell darf nicht übermässig sein. Bei der Prüfung der Übermässigkeit stellt man sich das Empfinden eines «normalen Durchschnittsmenschen» vor und dieses gilt dann als Referenz. Diejenige Partei, welche die Übermässigkeit geltend machen will, hat diese entsprechend zu be- und nachzuweisen.
Mein Nachbar schikaniert mich. Was kann ich unternehmen?
Die Praxis zeigt: Nachbarschaftskonflikte lassen sich meist nicht nachhaltig auf dem Rechtsweg lösen. Der Grund liegt häufig in zwischenmenschlichen Problemen oder unzureichender Kommunikation zwischen den Nachbar:innen. Trotzdem sollte man sich nicht alles gefallen lassen. Vor allem, wenn die Handlungen der Nachbarschaft strafrechtlich relevant werden (z.B., wenn ernstzunehmende Bedrohungen ausgesprochen werden), sollte die Polizei involviert werden.
Kann der Konflikt weder durch persönliche Gespräche noch durch eine Mediation gelöst werden, sieht das Gesetz insbesondere folgende Rechtsbehelfe vor (vgl. Art. 679 ZGB):
- Beseitigungsklage: Sie bezweckt die Beseitigung der Störung, welche zu übermässigen Immissionen führt.
- Unterlassungsklage: Sie dient dem Schutz, dass vergangene übermässige Einwirkungen, welche sich zu wiederholen drohen, nicht wieder auftreten.
- Schadenersatzklage: Sie bezweckt den Ersatz der Vermögenseinbusse, welche durch eine in der Vergangenheit liegende Überschreitung der Grundeigentümerrechte verursacht wurde. Diese Klage ist erst möglich, wenn die anderen Klagen nicht zum Ziel führten.
- Dabei muss man sich bewusst sein, dass ein Verfahren teuer werden kann. Wenn das Gericht Ihnen nicht recht gibt (z.B., weil Sie die übermässigen Immissionen nicht in genügender Weise nachweisen können), müssen Sie nicht nur Ihre eigenen Anwalts- und Gerichtskosten, sondern auch die Kosten der gegnerischen Partei tragen. Zudem ist der Gerichtsweg zeitaufwendig. Überlegen Sie sich daher gut, ob der Nutzen die Mühen und Kosten rechtfertigt.
- Schliesslich gibt es eine Einschränkung, wann diese Rechtsbehelfe angerufen werden können: Entzieht eine Baute oder eine Einrichtung einem Nachbargrundstück bestimmte Eigenschaften (z.B. Besonnung oder Lichteinfall), so bestehen diese (insb. Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadenersatzklage) Ansprüche nur, wenn bei der Erstellung der Baute oder Einrichtung die damals geltenden Vorschriften nicht eingehalten wurden.
Polizei rufen
Sie können auch die Polizei rufen, wenn sich die Nachbarschaft uneinsichtig zu folgenden Themen zeigt:
- Störung der Nachtruhe
- Extremer / übermässiger Lärm
- Üble Gerüche
- Illegaler Abfall
- Sachbeschädigung
Je nach Kanton oder Gemeinde droht der Verursacherin oder dem Verursacher eine saftige Busse.
Anzeige gegen Nachbar:in
Wird die Situation dermassen unerträglich, beispielsweise aufgrund übermässigen nächtlichen Lärmimmissionen, und Sie Ihren Nachbarn, Ihre Nachbarin deshalb anzeigen möchten, steht Ihnen dieses Recht selbstverständlich zu. Sie können in solchen Situationen die Polizei rufen. Das kantonale Strafrecht bzw. die kommunalen Polizeiverordnungen sehen oft entsprechende Tatbestände vor (in der Regel werden diese mit Busse verfolgt).
Sind schwerwiegende Vorfälle aufgetreten, wie beispielsweise Tätlichkeiten, Körperverletzungen oder auch Hausfriedensbruch (nicht abschliessende Aufzählung), so handelt es sich um Antragsdelikte gemäss dem Schweizerischen Strafgesetzbuch. Möchten Sie eine solche Tat melden, müssen Sie bei den Strafverfolgungsbehörden (Polizei oder zuständige Staatsanwaltschaft) innert drei Monaten entsprechenden Strafantrag stellen.
Fragen & Antworten
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