Mann im karierten Flanellhemd steht vor einem Holzhaus und spricht in ein Smartphone. Im Hintergrund sieht man einen Baumstumpf mit einer Axt. Symbolbild für Kapprecht.

Kapprecht

Darf man Nachbars Äste einfach abschneiden?

Stören Sie überhängende Äste oder vom Nachbargrundstück eindringende Wurzeln? Erfahren Sie, ob und wann Sie diese selbst entfernen dürfen.

  • Lesezeit: 8 Minuten
  • Letztes Update: Januar 2025

Meine Nachbar:innen schneiden ihre Hecke nicht. Auch die Äste ihres Apfelbaums ragen in meinen Garten. Darf ich sie stutzen?

Diese Frage wird in Artikel 687 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) geregelt. Demnach dürfen überhängende Äste und eindringende Wurzeln, die das Eigentum erheblich beeinträchtigen, erst nach einer erfolglosen Aufforderung zur Beseitigung innerhalb einer angemessenen Frist, selber entfernt werden. Dies wird als Kapprecht bezeichnet.

Gut zu wissen: Es gilt die natürliche Vegetationszeit zu beachten. Rückschnitte sollten daher nur zwischen November und März verlangt bzw. durchgeführt werden.

Wie hoch darf mein Nachbar, meine Nachbarin die Bäume wachsen lassen?

Die genaue Auslegung und die Grenzabstände variieren von Kanton zu Kanton und sind in der Regel im jeweiligen kantonalen Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG ZGB) festgelegt.

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Unter welchen Bedingungen dürfen Sie Äste oder Wurzeln kappen?

  • Eine Grenzüberschreitung muss vorliegen: Äste oder Wurzeln einer Pflanze dringen vom Nachbargrundstück in Ihr Grundstück ein.
      
  • Diese eindringenden Pflanzen(teile) müssen eine «erhebliche Schädigung» bzw. eine «übermässige Beeinträchtigung» verursachen, nicht nur eine einfache Störung. Dies setzt voraus, dass die Schädigung auch von einem objektiven Dritten als übermässig empfunden würde. Die Gerichte verfügen hierbei über einen grossen Ermessenspielraum und die Hürden der nötigen Schädigung sind hoch.

Ein finanzieller Schaden ist nicht zwingend notwendig; auch übermässiger Schatten, übermässige Feuchtigkeit an der Hausmauer oder eine erhebliche Beeinträchtigung beim Pflügen können beispielsweise als Schädigungen gelten. Eine erhebliche Beeinträchtigung durch überragende Äste kann beispielsweise auch bestehen, wenn der Nachbar bzw. die Nachbarin in der Benützung von Parkplätzen, Strassen oder Wegen behindert wird, wenn ein Bauvorhaben erschwert wird oder wenn durch den Überhang auf dem angrenzenden Landstreifen praktisch keine Pflanzen mehr wachsen oder der Boden karg und verwaldet wird.

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Wurzeln, die Bodenplatten oder den Teerbelag einer Strasse anheben, stellen in der Regel eine erhebliche Schädigung dar.

Wichtig: 

Pflanzen, die keine Schäden verursachen, müssen toleriert werden. So stellen bspw. Laub-, Blüten-, Nadel- oder Obstfall normalerweise keine übermässige Beeinträchtigung dar. Dasselbe gilt in der Regel für das Anziehen von Insekten, normalen Schattenwurf, Tropfenfall, Feuchtigkeit oder die Verhinderung einer Aussicht.

Die wichtigsten Ausnahmen:

  • Es besteht kein Kapprecht an Grenzpflanzen, also Pflanzen, welche auf der Grenze stehen. Diese befinden sich normalerweise im Miteigentum der beiden Grundstückeigentümer:innen. Hier müssen die Nachbar:innen gemeinsam über den Rückschnitt der Pflanze entscheiden.
     
  • Zwischen zwei Waldgrundstücken kommt das Kapprecht ebenfalls nicht zur Anwendung (Art. 687 Abs. 3 ZGB).
     
  • Einige Kantone haben das Kapprecht für fruchttragende Bäume zudem weiter eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen. Konsultieren Sie daher das Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch (EG ZGB) des Kantons, in welchem sich das Grundstück befindet, oder lassen Sie sich beraten.

Sind diese Grundvoraussetzungen erfüllt? Dann können Sie gemäss nachfolgendem Abschnitt vorgehen.

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Streitigkeiten im Job, Stress mit der Nachbarin oder ein anderes Rechtsthema – die Privat-Rechtsschutzversicherung der Protekta verhilft Ihnen zu Ihrem Recht und unterstützt Sie tatkräftig auf dem Weg dort hin.

Wenn ein Gespräch nichts nutzt: Das korrekte Vorgehen, um das Kapprecht geltend zu machen (inklusive Download Musterbrief)

1. Aufforderung zum Rückschnitt inkl. Fristansetzung an Nachbar:in mit Ankündigung Ausübung Kapprecht

Informieren Sie Ihre:n Nachbar:in über die Situation und schildern Sie ihm / ihr Ihr Anliegen. Ein offenes und ruhiges Gespräch kann helfen, den Konflikt ohne weiteren Ärger zu lösen.

Falls das nicht gelingt, beschweren Sie sich schriftlich per Einschreiben. Hier können Sie einen Musterbrief downloaden.

Setzen Sie dabei eine angemessene Frist, damit der Nachbar bzw. die Nachbarin die Pflanze zurückschneiden oder versetzen oder Äste binden kann, oder die Schädigung bestreiten kann.

Die angemessene Frist hängt von der Situation ab. Bei kleineren Pflanzen oder wenigen Ästen genügen meist einige Tage, während grössere Bäume, die von einem Gärtner bzw. einer Gärtnerin beschnitten werden müssen, mehrere Wochen Zeit erfordern.

Beachten Sie unbedingt die Vegetationszeit: Für Bäume und Büsche kann ein Rückschnitt grundsätzlich nur zwischen November und März gefordert werden.

Für fruchttragende Bäume wie Obst-, Nuss- und Edelkastanienbäume gelten je nach Kanton unterschiedliche Regelungen zum Kapprecht. Konsultieren Sie daher vor Versand des Musterbriefes das Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch (EG ZGB) des Kantons, in welchem sich das Grundstück befindet.

Bewahren Sie sodann eine Kopie Ihres Schreibens inkl. Beilagen sowie des Postsendungsbelegs für Ihre Unterlagen auf.

2. Ihr:e Nachbar:in führt den Rückschnitt nicht innert der angemessenen Frist durch oder teilt Ihnen mit, dass Sie das Kapprecht ausüben können

Diesfalls können Sie die Kappung vornehmen, wobei Sie lediglich so viele Äste und Wurzeln kappen dürfen, wie es zur Beseitigung der erheblichen Beeinträchtigung nötig ist. Gehen Sie sorgfältig vor und schneiden Sie die Äste und Wurzeln bis maximal zur Grundstücksgrenze hin. Nur falls es für die Kappung zwingend nötig ist, dürfen Sie das Grundstück Ihres Nachbarn bzw. Ihrer Nachbarin nach vorgängiger Anzeige an den / die Nachbar:in auch betreten. Die Pflanze darf jedoch auf gar keinen Fall vollständig entfernt werden.

Die gekappten Äste und Wurzeln dürfen Sie behalten. Möchten Sie dies nicht, so können Sie sie sorgfältig auf dem Grundstück Ihres Nachbarn / Ihrer Nachbarin deponieren.

Sie können Ihre Aufwände dem Nachbarn / der Nachbarin hingegen nicht verrechnen. Dies, da früher das gekappte Holz behalten wurde und daher als Entgelt galt. Wenn Sie also aufgrund des Umfangs oder der Komplexität des nötigen Rückschnitts einen Gärtner mit der Kappung beauftragen, so müssen Sie dessen Rechnung selber begleichen.

Wichtig:

Wenn die im vorherigen Abschnitt aufgeführten Bedingungen nicht erfüllt sind oder Sie das Kapprecht nicht korrekt angezeigt bzw. keine angemessene Frist angesetzt haben, Sie aber das Kapprecht dennoch ausüben, so handeln Sie widerrechtlich. Diesfalls haften Sie gegenüber Ihrem Nachbar / Ihrer Nachbarin für allfällige Schäden (zivilrechtlich) und können sich sogar strafbar machen (Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch). Gleich verhält es sich, wenn Sie zu viel kappen oder dabei unsorgfältig vorgehen.

Wenn Sie unsicher sind, ob in Ihrem Fall die Voraussetzungen für das Kapprecht erfüllt sind, raten wir Ihnen, sich durch Ihre Rechtsschutzversicherung beraten zu lassen, bevor Sie mit hohen Kosten konfrontiert werden.

Download: Musterbrief zum Kapprecht

Verwenden Sie folgenden Musterbrief als Vorlage, wenn Sie Ihr Kapprecht einfordern wollen.

Wie nah darf eine Pflanze oder ein Baum an der Grundstückgrenze wachsen?

Eine pauschale Antwort gibt es nicht, da die Vorschriften je nach Pflanze und Kanton unterschiedlich sind:

Art der Pflanze: 

Hochstämmige Bäume wie Linden oder Kastanien benötigen in der Regel einen grösseren Abstand zur Grundstücksgrenze als Sträucher oder Reben.

Verjährung: 

Auch die Verjährungsfrist für Ansprüche auf Einhaltung der Abstände ist von Kanton zu Kanton verschieden.

Für detaillierte und rechtsverbindliche Informationen zu den Abständen und Vorschriften ist es darum empfehlenswert, die spezifischen kantonalen Gesetze zu konsultieren respektive sich bei der zuständigen Stelle des jeweiligen Kantons zu informieren.

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Nachbars Baum oder ein Ast von Nachbars Baum fällt auf mein Grundstück. Wer haftet?

Haftung (Art. 679 ZGB):

Der Eigentümer oder die Eigentümerin eines Grundstücks haftet für Schäden, die von Bäumen auf seinem oder ihrem Grundstück verursacht werden. Wenn ein Baum oder ein Ast vom Nachbargrundstück auf Ihr Grundstück fällt, kann der Nachbar oder die Nachbarin in Verantwortung genommen werden, wenn der Baum schlecht gepflegt war oder Anzeichen von Instabilität zeigte.

Schadenersatz (Art. 679 Abs. 2 ZGB): 

Sie können Schadenersatz verlangen, wenn der Baum auf Ihr Grundstück gefallen ist und Schäden verursacht hat, insbesondere wenn der Baum vernachlässigt wurde.

Welche Versicherung zahlt?

Wenn der Eigentümer oder die Eigentümerin des Baumes haftbar ist, deckt in der Regel eine Privat- oder Gebäudehaftpflichtversicherung den finanziellen Schaden. Bei Schäden durch höhere Gewalt, wie zum Beispiel durch einen Orkan, greift die Gebäudeversicherung des Geschädigten. In einem solchen Fall kann der Baum-Eigentümer oder die Baum-Eigentümerin nicht haftbar gemacht werden.

Fragen & Antworten

Fragen und Antwort zum Thema Kapprecht

Weitere Fragen?

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Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass dieser Inhalt und die zur Verfügung gestellten Unterlagen als allgemeine Rechtsauskunft zu werten sind. Sie ersetzen keine Rechtsberatung im Einzelfall. Die Mobiliar und die Protekta lehnen jegliche Haftung im Zusammenhang mit dem Inhalt dieses Beitrags ab.