Prix Mobilière 2025
Die nominierten Künstlerinnen für den Prix Mobilière 2025 repräsentieren das zeitgenössische Geschehen in der Schweizer Kunstlandschaft. Durch unterschiedliche Ausdrucksformen hinterfragen sie wichtige Themen unserer Zeit. Die Nominator:innen haben in diesem Jahr wichtige kritische Stimmen der Schweizer Kunstszene berücksichtigt.
Nominationskomitee für den Prix Mobilière 2025
- Yasmin Afschar, freischaffende Kuratorin, Zürich
- Nicolas Brulhart, Künstlerischer Leiter der Kunsthalle Friart, Fribourg
- Deborah Keller, Chefredakteurin des Kunstbulletin und freie Kunstkritikerin, Zürich
- Elise Lammer, Direktorin Halle Nord, Genf
- Sibilla Panzeri, Kuratorin im Spazio Lampo, Chiasso und Co-Leiterin Kulturfolger, Zürich
- Francisco Sierra, Künstler, Cotterd
- Mirjam Varadinis, Curator-at-large Kunsthaus Zürich, Zürich
Die Nominierten 2025
Lou Masduraud (*1990 in Montpellier (FR), lebt und arbeitet in Genf)
«Lou Masduraud verfolgt einen innovativen und kritischen künstlerischen Ansatz und schlägt mit ihren skulpturalen Werken und Installationen vielmehr eine alternative Sicht der Welt vor als das sie uns diese aufdrängen möchte. Diese Sichtweise ermöglicht es, die gängigen Realitäten zu hinterfragen und Wege zu finden, sich von ihnen zu emanzipieren. Ausgehend vom Grundsatz, dass Stabilität und Norm in Wirklichkeit nichts anderes als Transformation und Mutation sind, lässt sich die Künstlerin durch natürliche Phänomene wie Oxidation, Fäulnis, Patina oder Gärung inspirieren und bringt in ihren Werken die Schönheit zum Ausdruck, die sie in der inhärenten Instabilität aller Lebensphasen erkennt.»
Elise Lammer
Akosua Viktoria Adu-Sanyah (*1990 in Bonn (DE), lebt und arbeitet in Zürich)
«Die ghanaisch-deutsche Künstlerin Akosua Viktoria Adu-Sanyah schafft eindrückliche Werke, in denen sie soziale Missstände und zentrale Themen unserer Zeit beleuchtet. Ein starkes Beispiel ist die 2024 mit dem Swiss Art Award ausgezeichnete Arbeit Delirium (seit 2022). Die Serie entstand in Auseinandersetzung mit dem Verlust ihres Vaters, der 2021 verstorben ist. Formal nimmt sie das Thema Rassismus auf, indem sie analoge Fotografien ihres Vaters in eine KI-Engine einspeist, die diese verfremdet. Aus den so generierten Bildern erstellt Adu-Sanyah wieder handgefertigte Dunkelkammerabzüge. Eigentlich erlaubt die KI-Engine keine Verwendung menschlicher Gesichter, doch das Gesicht des afrikanischen Vaters wurde nicht als menschlich erkannt – eine harte Realität, die Adu-Sanyah in einer berührenden Installation umsetzt. Die Verbindung von formaler Präzision und inhaltlicher Dringlichkeit macht das Werk dieser jungen Künstlerin so einzigartig.»
Mirjam Varadinis
Rebecca Solari (*1996 in Blenio (CH), lebt und arbeitet in Biel und Amsterdam)
«Rebecca Solari, geboren und aufgewachsen in Blenio, erforscht in ihrer multidisziplinären Kunst – in Performance, Musik, Installation und Skulptur sowie beim Kuratieren – Selbstrepräsentation, Geschlechts- und soziale Identität. Sie durchbricht vorgegebene Codes und hat das Alter Ego Fulmine geschaffen, tief verbunden mit dem Bleniotal, seinen Traditionen und Werten. Ihre Arbeit überwindet Pathos und Folklore, bietet tiefe Reflexion und lädt zur Neuauslegung der eigenen Identität ein. Rebecca Solari trägt erfolgreich eine Tessiner Botschaft über die Kantonsgrenzen hinaus und öffnet einem breiten Publikum diesen oft vergessenen oder missverstandenen Kontext.»
Sibilla Panzeri
Bisso Yann Stéphane (*1998 in Sangmélima (CM), lebt und arbeitet in Genf)
«Bisso Yann Stéphane vermengt in seinen Arbeiten erlebte Realität, bildgewordene Erinnerung und Mythen aus unterschiedlichen Zeiten und geografischen Kontexten zu hybriden Traumlandschaften. Populärkultur und Tradition, Träume und Fantasy, Biografisches und Globalpolitisches finden zusammen. Mit ebenso viel poetischem Feingefühl wie handwerklicher Kontrolle fragt Bisso Yann Stéphane im klassischsten aller Medien, der Malerei, wie Bildtraditionen des westlichen Kanons aufgebrochen und für die Lebenswelten einer jungen Generation, die infolge von Migration und Exil zwischen verschiedenen Kulturen und mit multiplen Identitäten lebt, aktualisiert werden können.»
Yasmin Afschar
marce norbert hörler (*1989 in Appenzell (CH), lebt und arbeitet in Berlin und der Schweiz)
«Worte, Stimmen, Kostüme und Düfte – das sind die Ingredienzen, aus denen die Kunst von marce norbert hörler gemacht ist. Sie lässt den Zauber von Mythen und Sagen mitreden und bleibt doch mit dem Boden der Realität verbunden: Geboren in Appenzell und heute zwischen Berlin und der Schweiz zu Hause, untersucht hörler in Performances, Textarbeiten und installativen Anordnungen die Sprache als Material und als weltbildendes Medium.»
Deborah Keller
Cyril Tyrone Hübscher (*1993 in Bern (CH), lebt und arbeitet in Basel)
«Cyril Tyrone Hübscher beschäftigt sich in seinem Werk mit der Beziehung zwischen Menschen und Räumen. Mit billigen Materialien wie Pappe, Klebeband, Leim und Holz stellt er Skulpturen, Installationen und Malereien her. Dabei geht es ihm nicht primär um Architektur und Materialität, sondern vor allem um die Auseinandersetzung mit menschlichen Bedürfnissen und Sehnsüchten. Im Glauben an die transformative Kraft der Fantasie sucht er nach Formen der Ehrlichkeit und einer Vision der Welt, die sowohl eskapistisch als auch in der Realität verwurzelt ist. Mit grosser Sensibilität gelingt es ihm, Fragen über Wertesysteme in unserer Gesellschaft zu stellen und uns dadurch zu einem inneren Dialog einzuladen, der um unser Menschsein auf diesem Planeten kreist.»
Francisco Sierra
Alfatih (*1995 in der Schweiz, lebt und arbeitet in der Schweiz)
«Die Videoinstallationen und interaktiven Werke von Alfatih verbinden auf ungewohnte Weise einen spezifischen technologischen Ansatz mit dem Ausdruck ästhetischer Spannungsfelder, die grundlegend sind für den Aufbau der heutigen Subjektivitäten. Indem der Künstler die Entwicklungen der virtuellen Welt, der Videospiele und des interaktiven Designs mit der zeitgenössischen Kunst kombiniert, setzt er Bereiche in Beziehung, die oft noch als gegensätzlich betrachtet werden. Die Erzählungen, Konfigurationen und zeitlichen Dimensionen seiner sorgfältig konzipierten Werke eröffnen sowohl strukturelle als auch existenzielle Reflexionen.»
Nicolas Brulhart