Kunstdarstellung Deborah Joyce Holman

Prix Mobilière 2024

Die nominierten Künstlerinnen für den Prix Mobilière 2024 repräsentieren das zeitgenössische Geschehen in der Schweizer Kunstlandschaft. Zum ersten Mal wurden nur weibliche Positionen für den Preis vorgeschlagen. Durch unterschiedliche Ausdrucksformen hinterfragen sie wichtige Themen unserer Zeit. Die Nominator:innen haben in diesem Jahr wichtige kritische Stimmen der Schweizer Kunstszene berücksichtigt.

Das Nominierungskomitee für den Prix Mobilière 2024

  • Elena Filipovic, Direktorin Kunsthalle Basel 
  • Laurence Schmidlin, Direktorin Kunstmuseums Wallis 
  • Felicity Lunn, Fachbereichsleiterin Gestaltung & Kunst, HKB 
  • Prof. Peter J. Schneemann, Professor für Kunstgeschichte der Moderne und der Gegenwart, Universität Bern
  • Gioia Dal Molin, Leitende Kuratorin Istituto Svizzero, Rom  
  • Julian Charrière, Künstler 
  • Patrick J. Gyger, Directeur général chez PLATEFORME 10 

Die Nominierten 2024

Deborah Joyce Holman (*1992 in Basel, lebt und arbeitet in Basel)

«Die Künstlerin und Kuratorin Deborah Joyce Holman versteht ihre Arbeit als Beitrag zur aktuellen und notwendigen Auseinandersetzung mit der Darstellung von Schwarz-Sein und Queer-Sein und der ganzen Vielfalt dieser Erlebniswelt in Gesellschaft und Populärkultur. Anhand einer Vielzahl von Medien, Ansätzen, Quellen und Strategien (z. B. der Verweigerung) beschäftigt sich Holman mit Fragen der Repräsentation und ihrer Grenzen, mit Diskursen und Kommunikationsformen (verbale und Körpersprache) sowie mit der Instrumentalisierung von Identitäten an der Schnittstelle zwischen Politik und Poetik.»

Laurence Schmidlin

Kunstdarstellung Deborah Joyce Holman

Davide-Christelle Sanvee (*1993 in Lomé, Togo lebt und arbeitet in Genf und Amsterdam verfasst von Gioia Dal Molin)

«Für den Prix Mobilière 2024 nominiere ich die Künstlerin David-Christelle Sanvee. Geboren 1993 in Lomé, Togo, lebt und arbeitet sie zwischen Genf und Amsterdam. Ihre performancebasierten Arbeiten sind oft site-spezifisch – sie setzt sich für ihre Performances mit den architektonischen, kulturellen, politischen oder gesellschaftlichen Dimensionen der jeweiligen (institutionellen) Aufführungsorte auseinander. Ihn ihrem aussergewöhnlichen künstlerischen Vokabular bedient sie sich beim zeitgenössischen Tanz, beim Theater und auch bei der politischen Satire. Ihre Arbeiten sind mal subtil und mal diskret, auch voller Humor und Ironie, oft unbequem. Sie befragt unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben, greift strukturelle Machtgefüge oder Rassismus auf und hält uns dabei nicht selten schonungslos einen Spiegel vor.»

Gioia Dal Molin

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Hannah Weinberger (*1988 in Filderstadt, lebt und arbeitet in Basel)

«Ich freue mich, Hannah Weinberger für den Prix Mobilière 2023 zu nominieren. Ihr Werk fasziniert und beeindruckt mich seit Langem. Weinberger ist eine wegweisende Stimme unserer Generation zeitgenössischer Schweizer Künstlerinnen und Künstler, die aufmerksam und traumähnlich eine Welt erkundet, in der sich soziale Beziehungen immer mehr in technologische Medien verlagern. Durch Transformation und Transposition von Medien und Materialien inszeniert bzw. komponiert – im Fall von Soundinstallationen – Weinberger Situationen und Interaktionen, die uns eine zunehmend zwiespältige Gegenwart hinterfragen lassen. In einer Welt, in der die Allgegenwart der Technik und der sozialen Medien zur Folge haben, dass uns die Realität zunehmend entgleitet, geben uns ihre immersiven Arrangements Anstoss, über die Zukunft nachzudenken.»

Julian Charrière

Kunstdarstellung Hannah Weinberger

Ishita Chakraborty (*1989 in Westbengalen, IN, lebt und arbeitet in Zürich und Westbengalen)

«Das Werk der westbengalischen, in der Schweiz lebenden und arbeitenden Künstlerin Ishita Chakraborty überzeugt durch seine feinsinnige Vielschichtigkeit. Ökologie, Migration und Ungleichheit betreffende Diskurse finden in ihrem Schaffen einen ebenso kritischen wie poetischen Ausdruck. Chakraborty bricht tendenziöse Narrative auf und kontrastiert diese mit individuellen Erzählungen. So werden in ihren Arbeiten Mute Tongue und Mute Tongue (Who am I, Without Exile?) (2019–2022) Stimmen von migrierten Menschen transportiert und in Gestalt von porzellanen Schallwellen materialisiert. In Protest Song (2020–heute) thematisiert sie Lieder des Widerstands. Die Verwendung von Kassettenhüllen als Displaymoment zeugen von einem äusserst präzisen Umgang mit Medialität. Zahlreiche Auszeichnungen spiegeln die Einschätzung des Werkes von Chakraborty als aussagekräftige zeitgenössische Position.»

Prof. Dr. Peter J. Schneemann

Kunstdarstellung Ishita Chakraborty

Johanna Hullár (*1989 in Budapest, lebt und arbeitet in Zürich)

«Johanna Hullár (geboren 1989 in Budapest, wohnhaft in Zürich) studierte zunächst Fotografie in Ungarn und erwarb anschliessend einen Master der Ecole cantonale d’art de Lausanne (ECAL), wo ihre Diplomarbeit mit dem Preis der Hochschule ausgezeichnet wurde. Die Künstlerin legt den Fokus auf Bilder und Videoinstallationen (If I Could Only Be Sure, Burning Desires, Material Landscapes...), die das Genre Stilllife neu denken. Mit grossem technischen Können und dem ihr eigenen strengen Stil setzt sie sich mit der Verwandlung der Materialien im Laufe der Zeit, den Beziehungen zwischen den Elementen und ihrer alchemistisch anmutenden Transformation (Wasser, Feuer...) und der Illusion der Unterscheidung zwischen synthetischen und natürlichen Produkten auseinander. Der Kreislauf des Lebens wird frei von Zynismus dargestellt, und die leichte Beklemmung, die die Betrachterin oder den Betrachter ergreift, wenn er oder sie den Zerfall einer einfachen Frucht miterlebt, zeigt, dass Johannas Anliegen über einen rein ästhetischen Ansatz hinausgeht und Kritik an dem entropischen Zeitalter, in dem wir uns befinden, mitschwingt.»

Patrick J. Gyger

Kunstdarstellung Johanna Hullár

Judith Kakon (*1988 in Basel, lebt und arbeitet in Basel)

«Ausgangspunkt für die Arbeit von Judith Kakon ist oft eine scharfsinnige Beobachtung unserer städtischen Umwelt und des implizit Politischen in deren alltäglichen Ausgestaltung. Auf der Basis dieser Beobachtungen hat sie eine Reihe von konzeptionellen Skulpturen, Installationen, Bildern und Texten geschaffen, die die wechselseitigen Beziehungen zwischen Gesellschaft und Handel, öffentlichem Raum und institutionellem Raum, industrieller Produktion und altem Handwerk beleuchten. Die Ergebnisse haben immer eine politische, soziale, aber auch eine inhärent sinnliche Dimension. In einigen ihrer überzeugenden Projekte der letzten Zeit hat sich Kakon zum Beispiel die gesamte Weihnachtsbeleuchtung und ‑dekoration, die traditionell entlang einer einzigen Basler Strasse angebracht ist, zu Eigen gemacht, verfrachtet und durch ihre Präsentation in einem Galerieraum transformiert. In einem anderen Fall hat sie Skulpturen aus Bronze angefertigt, die einem von ihr in Frankreich entdeckten fächerförmigen Metallgebilde nachempfunden sind, welches das Urinieren in der Öffentlichkeit verhindern soll. In diesen wie in vielen anderen Projekten arbeitet Kakon mit geringfügigen, aber bewussten räumlichen und semantischen Verschiebungen, die Fragen darüber aufwerfen, wie öffentlicher Raum reguliert wird, für wen, und wem er gehört.»

Elena Filipovic

Kunstdarstellung Judith Kakon

Natacha Donzé (*1991 in Boudevilliers, lebt und arbeitet in Lausanne)

«Natacha Donzé wird für den Prix Mobilière nominiert, weil sie in der Malerei eine eigenständige Sprache entwickelt hat, die die dringendsten Themen unserer Zeit untersucht. Sie befragt in ihrem Werk soziale Codes, Stereotype, Alltäglichkeiten und Fabeln der Populärkultur. Ihre Bildkompositionen isolieren, wiederholen oder kombinieren Form, Fläche, Farbe und Symbole aus den unterschiedlichsten Kulturbereichen, der digitalen oder natürlichen Welt. Die Künstlerin schafft Bildwelten, welche verführen und ins Bildinnere locken, um dann mit dem Inhalt, welche ernsthafte Felder wie der Zerfall oder das Chaos thematisieren, konfrontiert werden. Ihre atmosphärischen Welten nährt Donzé unter anderem durch Science Fiction Filme, Video Spiele oder aber aus der Kunstgeschichte. In ihrer vielschichtigen Formensprache wird die Beziehung zwischen den figurativen und abstrakten Elementen der Leinwand offengelassen.»

Felicity Lunn

Kunstdarstellung Natacha Donzé