Ein Mann sitzt auf dem Sofa mit dem Laptop auf den Beinen. Eine dahinterstehende Frau zeigt auf den Bildschirm. Als Symbolbild für Lohnfortzahlung und Taggeldleistungen bei Arbeitsunfähigkeit.

Lohnfortzahlung bei Krankheit, Unfall und Todesfall

Arbeitsunfähigkeit und Lohnfortzahlung: Pflichten und Rechte

Eine längere Arbeitsunfähigkeit hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis, sondern auch auf die persönlichen Finanzen. Was passiert, wenn man wegen einer schweren Krankheit, eines Unfalls oder aus anderen gesundheitlichen Gründen längere Zeit nicht arbeiten kann? So ist die Lohnfortzahlung bei Krankheit, Unfall oder Todesfall geregelt.

  • Lesezeit: 9 Minuten
  • Letztes Update: Dezember 2024

Lohnfortzahlung bei Krankheit: Was sagt das OR?

Das Gesetz (Art. 324a Abs. 1 OR) sieht vor, dass Arbeitgebende ihren Arbeitnehmenden bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit während einer bestimmten Dauer den vollen Lohn zu entrichten haben. Dies gilt, wenn das Arbeitsverhältnis bereits länger als drei Monate besteht oder auf mehr als drei Monate angelegt ist. Im ersten Dienstjahr besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung von mindestens drei Wochen. Nach dem ersten Dienstjahr verlängert sich der Anspruch entsprechend den kantonalen Regelungen – gemäss den sogenannten Lohnfortzahlungsskalen. Mit Beginn eines neuen Dienstjahres entsteht der Anspruch von neuem. Von dieser Regelung kann nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmenden abgewichen werden. Es ist jedoch möglich, im Arbeitsvertrag, im Gesamt- oder im Normalarbeitsvertrag eine andere, gleichwertige oder bessere Regelung zu vereinbaren.

Wie lange gilt die Lohnfortzahlung?

Das bestimmt die sogenannte Lohnfortzahlungsskala.

Die genaue Dauer der Lohnfortzahlung gemäss Art. 324a OR hängt hauptsächlich vom Kanton des Gerichtsstandes (in der Regel am Sitz des Arbeitgebers) und der Dienstdauer der Arbeitnehmerin ab. Es gibt drei verschiedene Lohnfortzahlungsskalen: die Basler, die Berner und die Zürcher Skala. Die Zürcher Skala gilt für die Kantone Zürich, Schaffhausen und Thurgau, die Basler Skala für Basel-Stadt und Basel-Landschaft und die Berner Skala für die übrigen Kantone. Nach Ablauf der gesetzlichen Lohnfortzahlung erlischt der Lohnanspruch, sofern keine Krankentaggeldversicherung besteht oder der Arbeitsvertrag, Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag keine weitergehende Lohnfortzahlung vorsieht.

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Beginn der Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit

Die Lohnfortzahlungspflicht beginnt je nach Art des Arbeitsvertrages unterschiedlich.

  • Bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten oder weniger beginnt der Anspruch ab dem vierten Anstellungsmonat.
  • Bei einem unbefristeten Vertrag mit einer Kündigungsfrist von mehr als drei Monaten beginnt der Anspruch ab dem ersten Tag des ersten Anstellungsmonats.
  • Bei einem befristeten Vertrag von mehr als drei Monaten beginnt der Anspruch ebenfalls ab dem ersten Tag des ersten Anstellungsmonats.
  • Bei einem befristeten Vertrag von drei Monaten oder weniger besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung.

Fallbeispiele

Hier finden Sie je ein Fallbeispiel zur Veranschaulichung.

Lohnfortzahlung mit Krankentaggeldversicherung: Was gilt in diesem Fall?

Enthält Ihr Arbeitsvertrag eine Krankentaggeldversicherung, ist die Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit anders geregelt. Die freiwillige Krankentaggeldversicherung sichert einen Teil Ihres Einkommens, wenn Sie wegen Krankheit vorübergehend nicht arbeiten können. Mit einer solchen Versicherung erhalten Sie in der Regel 80% Ihres Lohnes von der Versicherung.

Es gibt zwei gängige Modelle für die Lohnfortzahlung mit Krankentaggeldversicherung:

  1. Mit Wartefrist: Ihr Arbeitgeber kann mit der Versicherung eine Wartefrist vereinbaren. Während dieser Zeit zahlt der Arbeitgeber, wie gesetzlich vorgeschrieben, 100% Ihres Lohnes. Vorbehalten bleibt eine abweichende Regelung im Arbeitsvertrag, Gesamtarbeits- oder Normalarbeitsvertrag. Sofern die Wartefrist länger dauert als die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht, kann es zu einem Zeitraum kommen, in welchem eine Arbeitnehmerin weder Lohnfortzahlung noch Krankentaggeld erhält. Nach Ablauf der Wartefrist springt die Krankentaggeldversicherung ein und zahlt in der Regel 80% des Lohnes weiter.
     
  2. Ohne Wartefrist: Bei einigen Verträgen übernimmt die Krankentaggeldversicherung die Zahlung von 80% des Lohns ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit.
     
  3. Damit die Krankentaggeldversicherungslösung die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gemäss Art. 324a Abs. 1 OR ersetzt, muss diese gleichwertig sein (Art. 324a Abs. 4 OR). Eine Krankentaggeldversicherung gilt beispielsweise als gleichwertig, wenn Sie während 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen 80% des Lohnes erhalten, der Arbeitgeber mindestens 50% der Prämien übernimmt und es maximal drei Karenztage zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit gibt, an denen keine Lohnfortzahlung erfolgt. Sofern die Gleichwertigkeit nicht gegeben ist, wird die Leistung der Krankentaggeldversicherung an die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers angerechnet. Wichtig zu wissen ist, dass die Leistungen der Krankentaggeldversicherung nicht sozialversicherungspflichtig sind. Das bedeutet, dass keine Abzüge für AHV, IV, EO und ALV vorgenommen werden dürfen. Wenn jedoch der Arbeitgeber im Rahmen seiner Lohnfortzahlungspflicht den Lohn bezahlt, bleibt er beitragspflichtig.

Wie lange kriegt man Krankentaggeld in der Schweiz?

Die genauen Bedingungen und die Dauer der Krankentaggeldzahlung hängen von der individuellen Versicherungspolice und den spezifischen Vereinbarungen im Arbeitsvertrag ab.

In der Schweiz wird das Krankentaggeld in der Regel für maximal 720 bis 730 Tage innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen ausbezahlt. Das bedeutet, dass die Krankentaggeldversicherung während rund zwei Jahren 80% des Lohnes bezahlt, sofern die Arbeitsunfähigkeit andauert und die Versicherung diese Leistungen deckt.

Lohnfortzahlung bei Krankheit berechnen für die Schweiz

Die Berechnung der Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit in der Schweiz hängt von mehreren Faktoren ab: Ob die Arbeitnehmerin vollständig (100%) oder teilweise arbeitsunfähig ist und, ob der Arbeitsvertrag eine vom Gesetz abweichende Regelung der Lohnfortzahlung (z.B. eine Krankentaggeldversicherungslösung) vorsieht. Neben dem fixen Grundlohn sind auch alle anderen Lohnbestandteile anteilsmässig zu berücksichtigen, d.h. 13. Monatslohn, Zulagen und Provisionen.

Bei vollständiger unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit hat der Arbeitnehmer gemäss gesetzlicher Regelung Anspruch auf 100% Lohnfortzahlung. Die Dauer der Lohnfortzahlung richtet sich nach der Berner, Basler oder Zürcher Skala. Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Dienstjahres mehrere Phasen der Arbeitsunfähigkeit erleidet, werden diese Absenzen kumuliert.

Bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit wird der Lohn anteilsmässig entsprechend der verbleibenden Arbeitsfähigkeit ausbezahlt. Ist eine Arbeitnehmerin beispielsweise zu 50 % arbeitsunfähig, erhält sie 50 % ihres Lohnes für die geleistete Arbeit und 50 % Lohnfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit.

Bei einer Krankentaggeldversicherung übernimmt diese die Lohnfortzahlung entweder ab dem ersten Tag oder nach Ablauf der Wartefrist (80% des Lohnes). Die Krankentaggeldversicherung zahlt in der Regel während maximal zwei Jahren.

Lohnfortzahlung bei Arbeit im Stundenlohn und bei Teilzeitarbeit

Auch Teilzeitarbeitnehmer:innen und Angestellte im Stundenlohn haben Anspruch auf Lohnfortzahlung. Voraussetzung ist auch hier, dass das Arbeitsverhältnis seit mindestens drei Monaten besteht oder für mindestens drei Monate vereinbart ist.

Bei unregelmässigen Einnahmen aus Stundenlohnarbeit wird der Durchschnittslohn der letzten 12 Monate zur Berechnung der Lohnfortzahlung herangezogen.

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Krank während der Probezeit: Besteht Lohnfortzahlungspflicht?

Laut Art. 324a OR besteht die Lohnfortzahlungspflicht erst, wenn der Arbeitsvertrag für mehr als drei Monate abgeschlossen wurde oder bereits länger als drei Monate andauert. Bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag mit einer Probezeit von drei Monaten (oder weniger) und einem möglichen Kündigungstermin vor Ablauf dieser drei Monate, beginnt die Lohnfortzahlungspflicht erst am ersten Tag des vierten Anstellungsmonats.

Lohnfortzahlung bei Krankheit während der Kündigungsfrist

Erkrankt ein:e Arbeitnehmer:in während der Kündigungsfrist, so stoppt die Kündigungsfrist während der Sperrfrist (Art. 336c OR) und kann zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses führen. Die Sperrfrist ist eine gesetzlich vorgeschriebene Schutzfrist, während der eine Kündigung nicht vollzogen werden kann, zum Beispiel bei Krankheit, Unfall oder Schwangerschaft. Die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht verlängert sich jedoch nicht. Das heisst: In gewissen Konstellationen läuft das Arbeitsverhältnis aufgrund der verlängerten Kündigungsfrist weiter, aber es besteht kein Lohnanspruch mehr.

Beispiel: 

Luca arbeitet seit 2022 bei der Firma MN in Basel und hat eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Der Arbeitgeber kündigt ihm Mitte April 2024 auf Ende Juli 2024. Am 1. Juni 2024 erkrankt Luca und wird für drei Monate bis Ende August krankgeschrieben. Er hat Anspruch auf zwei Monate Lohnfortzahlung gemäss der Basler Skala, also bis zum 1. August 2024. Danach läuft das Arbeitsverhältnis zwar weiter bis Ende Oktober (verlängert um die drei Monate Arbeitsunfähigkeit, bzw. um die maximale Sperrfrist im zweiten Dienstjahr von 90 Tagen), aber es besteht kein Lohnanspruch mehr.

Sofern eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen wurde, besteht allenfalls ein Lohnfortzahlungsanspruch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus. Massgebend sind die Versicherungsbedingungen der Krankentaggeldversicherung.

Lohnfortzahlung bei Unfall

Angestellte, die aufgrund eines Unfalls unverschuldet voll oder teilweise arbeitsunfähig werden, haben Anspruch auf Lohnfortzahlung oder das sogenannte Taggeld. Dieser Anspruch beginnt ab dem dritten Tag nach dem Unfall und endet, sobald die Person wieder arbeitsfähig ist (Artikel 16 UVG).

Bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit beträgt die Lohnfortzahlung 80% des Bruttolohns. Bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit wird der Betrag anteilsmässig gekürzt (Artikel 17 UVG). Grundlage für die Berechnung ist der letzte vor dem Unfall erhaltene Lohn (Artikel 15, Absatz 2 UVG).

Die obligatorische Unfallversicherung übernimmt in der Regel die Lohnfortzahlung. Ist diese Versicherung nicht vorhanden oder deckt sie weniger als 80 % des Lohns, muss die Arbeitgeberin die Differenz zahlen (Artikel 324b OR). Während einer Wartezeit bis zur Zahlung durch die Versicherung ist die Arbeitgeberin ebenfalls verpflichtet, den Lohn weiterzuzahlen gemäss den zuvor beschriebenen Voraussetzungen.

Lohnfortzahlung bei Todesfall

Wenn ein:e Arbeitnehmer:in stirbt, endet das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet, den Lohn für eine bestimmte Zeit weiterzuzahlen, sofern der Arbeitnehmer den Ehegatten, die eingetragene Partnerin, den eingetragenen Partner oder minderjährige Kinder oder bei Fehlen dieser Erben andere Personen hinterlässt, denen gegenüber er eine Unterstützungspflicht erfüllt hat. In den ersten fünf Dienstjahren wird nach Beendigung des Arbeitsvertrages ein Monatslohn gezahlt. Nach fünf Dienstjahren beträgt dieser sogenannte Lohnnachgenuss zwei Monatslöhne.

Der Lohnnachgenuss wird auch ausbezahlt, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer wegen langer Krankheit vor dem Tod keinen Lohn mehr erhalten hat und der Anspruch auf Lohnfortzahlung oder Krankentaggeld erschöpft ist.

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Fragen & Antworten

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Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass dieser Inhalt und die zur Verfügung gestellten Unterlagen als allgemeine Rechtsauskunft zu werten sind. Sie ersetzen keine Rechtsberatung im Einzelfall. Die Mobiliar und die Protekta lehnen jegliche Haftung im Zusammenhang mit dem Inhalt dieses Beitrags ab.