«Die Schweizer Wirtschaft ist auf dem richtigen Weg»
Studienleiterin Louisa Hugenschmidt sieht punkto Nachhaltigkeit Handlungsbedarf bei den Schweizer Unternehmen. Vor allem kleinere KMU sind dabei auf Unterstützung angewiesen. Hier ordnet sie die Resultate der Studie «Swiss Sustainability Gap 2024» ein.
Was macht die «Swiss Sustainability Gap»-Studie besonders?
Der grösste Unterschied zu klassischen Studien ist der Zukunftsfokus. Weil wir auch nach Einstellungen und strategischen Positionen gefragt haben, können wir ein Zukunftsbild erfassen und daraus entsprechende Schlüsse ziehen.
Was ist für Sie die wichtigste Aussage der Studie?
Die Schweizer Wirtschaft ist im Gros auf dem richtigen Weg, erreicht haben wir das Ziel aber noch nicht.
Louisa Hugenschmidt - Studienleiterin
Die Schweizer Unternehmen haben einen Sustainability Gap von 44.8 Punkten. Ist das ein gutes Ergebnis?
Ein mittleres Ergebnis. Der Gap kann Werte zwischen 0 und 100 erreichen, dabei ist 100 der maximale Gap. 100 heisst: Nachhaltigkeitsthemen werden weder strategisch noch operativ berücksichtigt. Mit 44.8 Punkten liegen die Schweizer Unternehmen im Durchschnitt also etwas besser als das Mittel von 50. Strategisch ist die Schweizer Wirtschaft jedoch bereits weiter (38.3 Pkt.) als in der operativen Umsetzung (51.4 Pkt.). Und auch für die verschiedenen Nachhaltigkeitsfelder zeigen sich sehr heterogene Ergebnisse.
Sie haben die gleiche Studie in der Vergangenheit bereits für die Nordwestschweiz durchgeführt. Haben Sie Unterschiede festgestellt zwischen den bisherigen Resultaten für die Nordwestschweiz und jenen der aktuellen Studie?
Wir haben tatsächlich Unterschiede festgestellt. Im Durchschnitt weisen die Unternehmen in Kantonen mit Deutsch als eine der Amtssprachen ein leicht schwächeres Ergebnis auf als diejenigen, bei denen dies nicht der Fall ist. Es scheint also einen Röstigraben der Nachhaltigkeit zu geben – tief ist er aber glücklicherweise nicht.
Unterstützung für KMU durch CO2-Manager
Sie möchten selbst wissen, wie nachhaltig Sie arbeiten? Wir stellen Ihnen ein intuitives Tool zur Verfügung, das es ermöglicht,
- den CO2-Fussabdruck Ihres KMU präzise zu messen,
- mögliche Massnahmen zur Emissionsreduktion zu evaluieren und
- Ihre Fortschritte auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Betrieb zu verfolgen.
Gibt es auf internationaler Ebene Vergleichszahlen?
Meines Wissens nicht. Das möchten wir ändern und suchen in den Nachbarländern nach Umsetzungspartnern – Nachhaltigkeit ist schliesslich ein grenzüberschreitendes Thema. Zudem möchten wir auch für die Schweizer Regionen ein differenzierteres Bild erarbeiten. Die Kantone sollten wissen, wo ihre Wirtschaft in Bezug auf die Nachhaltigkeit steht und in welchen Bereichen sich Unterstützungsmassnahmen am meisten lohnen.
Die Studie zeigt, dass KMU in Sachen Nachhaltigkeit weniger weit sind als grosse Unternehmen. Wo haben Sie bei den KMU die grössten Herausforderungen festgestellt und wo den grössten Handlungsbedarf?
Das Thema Governance ist gerade für Mikro- und Kleinunternehmen ein Schwieriges. Im Gegensatz zu den grossen Unternehmen unterliegen sie (noch) keinen Regulierungen. Das schafft Spielraum, aber zugleich fehlt es an Orientierung. Zudem fehlen ihnen meist die Ressourcen für einen verstärkten Nachhaltigkeitsfokus, beispielsweise, um eine Person für Nachhaltigkeitsthemen zu beschäftigen, die diese Orientierung geben könnte. Hier sind Politik und gesellschaftliche Akteure gefragt – sie können KMU den Weg erleichtern.
Louise Hugenschmidt - Studienleiterin
Welche Rolle spielen KMU auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel, das sich der Bundesrat für 2050 gesetzt hat?
Eine zentrale. Die Schweizer Wirtschaft besteht zu 99 % aus KMU. Aber gerade kleine Unternehmen brauchen aus den oben genannten Gründen Unterstützung bei der Formulierung und Umsetzung nachhaltiger Prozesse.
Nachhaltigkeit und Rentabilität werden oft als Widerspruch gesehen. Kommt das auch in der Studie so zutage?
Im Gegenteil. Es zeigt sich, dass die Umsetzung von Nachhaltigkeitsgrundsätzen vielfach als wirtschaftlich lohnend angesehen werden. Das gilt im Speziellen für die soziale Nachhaltigkeit, aber auch ökologische Komponenten wie Energieeffizienz.
Gibt es Nachhaltigkeitsaspekte, die bereits selbstverständlich geworden sind?
Themen der sozialen Nachhaltigkeit sind bei der grossen Mehrheit der Unternehmen – unabhängig von ihrer Grösse – in den Köpfen verankert und werden verstärkt umgesetzt. Darauf lässt sich aufbauen.
Zur Person
Louisa Hugenschmidt arbeitet bei BAK Economics. Sie leitete die Studie «Swiss Sustainability Gap 2024», die im Auftrag der Mobiliar durchgeführt wurde.