Die Grossmutter hilft ihren Enkeln fürsorglich beim Zähneputzen als Symbolbild für den Ratgeber Erbvorbezug.

Erbvorbezug und Schenkung in der Schweiz

Erbvorbezug, Schenkung und Wissenswertes

In der Schweiz ist es möglich, sein Vermögen zu Lebzeiten in Form eines Erbvorbezugs oder einer Schenkung an nahestehende Personen weiterzugeben. Was sind die Unterschiede und worauf müssen Erblasserinnen und Erblasser achten? Ein Überblick.

  • Lesezeit: 8 Minuten
  • Letztes Update: Dezember 2024

Erbvorbezug oder Schenkung? Das sind die Unterschiede

Beim Erbvorbezug und bei der Schenkung geht es darum, Vermögen oder Eigentum bereits zu Lebzeiten auf die künftigen Erb:innen zu übertragen. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten gibt es wichtige Unterschiede.

Der Erbvorbezug ist eine Art Vorauszahlung auf das Erbe. Das bedeutet, dass das, was man als Erbvorbezug erhält, später beim Erbfall vom eigentlichen Erbteil abgezogen wird. Zahlt beispielsweise ein Elternteil einem Kind zu Lebzeiten einen Erbvorbezug aus, so wird dieser Betrag nach dem Tod des Elternteils bei der Verteilung des restlichen Erbes berücksichtigt. So wird sichergestellt, dass die anderen Erb:innen fair behandelt werden und das gesamte Erbe gerecht verteilt wird (Art. 626 Abs. 1 ZGB).

Eine Schenkung hingegen ist eine freiwillige Übertragung von Vermögen oder Eigentum, ohne dass diese zwingend mit dem späteren Erbe verrechnet wird. Ausserdem kann die Schenkung herabgesetzt werden, wenn sie den Pflichtteil anderer Erben verletzt. Auch Schenkungen, die in den letzten fünf Jahren vor dem Tod des Erblassers gemacht wurden und nicht nur Gelegenheitsgeschenke waren, können zurückverlangt oder herabgesetzt werden, wenn sie den Pflichtteil verletzen (Art. 527 Ziff. 3 ZGB).

Beide Möglichkeiten - Erbvorbezug und Schenkung - haben rechtliche und steuerliche Konsequenzen, die es zu beachten gilt. Es ist daher ratsam, sich gut zu informieren oder sich rechtlich beraten zu lassen, bevor man sich für eine dieser Möglichkeiten entscheidet.

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Was sagt das Erbrecht zu Schenkungen? Wichtiges zur Ausgleichspflicht und Herabsetzungsklage

Schenkungen spielen im schweizerischen Erbrecht eine bedeutende Rolle, da sie die spätere Verteilung des Nachlasses beeinflussen können. Es gibt klare gesetzliche Regelungen, wann und wie Schenkungen bei der Erbteilung zu berücksichtigen sind.

Eine zentrale Bestimmung ist die Ausgleichspflicht nach Art. 626 ZGB. Grundsätzlich sind Schenkungen an künftige Erb:innen auszugleichen, wenn der Erblasser bzw. die Erblasserin dies so bestimmt hat. Schenkungen an Nachkommen sind jedoch automatisch ausgleichspflichtig, wenn sie den Charakter einer Ausstattung im Sinne von Art. 626 Abs. 2 ZGB haben und der Erblasser nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt hat. Dies bedeutet, dass die Schenkung dazu dient, die Existenz des Beschenkten zu begründen, zu erweitern oder zu sichern. Ein typisches Beispiel ist die Schenkung eines Grundstücks, die vom Bundesgericht als ausgleichungspflichtig betrachtet wird. Wird hingegen etwas verschenkt, das keinen Ausstattungscharakter hat, wie z.B. eine Uhr, tritt die Ausgleichspflicht nicht automatisch ein, es sei denn, sie wird ausdrücklich im Testament oder in einem Vertrag vereinbart.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Erbrechts ist die Herabsetzungsklage nach Art. 522 ff. ZGB. Wird durch eine Schenkung der Pflichtteil eines anderen Erben verletzt, so kann dieser auf Herabsetzung klagen. Der Pflichtteil ist der gesetzlich garantierte Mindestanteil am Nachlass, der bestimmten Erben wie Kindern oder Ehegatten zusteht. Eine erfolgreiche Klage kann dazu führen, dass die Schenkung rückgängig gemacht oder in ihrer Höhe angepasst wird, um den Pflichtteil zu sichern.

Die Herabsetzungsklage ist demnach möglich für Schenkungen zur Existenzsicherung oder -verbesserung (Art. 527 Ziff. 1 ZGB) sowie auch für Schenkungen, die in den letzten fünf Jahren vor dem Tod des Erblassers erfolgten, sofern es sich dabei nicht nur um ein Gelegenheitsgeschenk handelte (Art. 527 Ziff. 3 ZGB).

Erbe und Schenkung zurückfordern – Das sollten Sie wissen

Ein einmal gewährter Erbvorbezug kann in der Schweiz grundsätzlich nicht zurückgefordert werden. Schenkungen hingegen können unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen oder zurückgefordert werden. Solange die Beschenkte die Schenkung noch nicht angenommen hat, kann der Schenker sie jederzeit widerrufen (Art. 244 OR). Zudem kann der Schenker verfügen, dass die Schenkung im Falle des vorzeitigen Todes der beschenkten Person an ihn zurückfällt (Art. 247 Abs. 1 OR). Bei Grundstücken muss dieses sogenannte Rückfallrecht im Grundbuch eingetragen und öffentlich beurkundet werden, damit es auch gegenüber Erb:innen oder Dritten geltend gemacht werden kann.

Eine bereits vollzogene Schenkung kann zurückgefordert werden, wenn der Beschenkte eine schwere Straftat gegen die Schenkerin oder deren Familie begeht, seine familienrechtlichen Pflichten gröblich verletzt oder die mit der Schenkung verbundenen Auflagen nicht erfüllt (Art. 249 Ziff. 1-3 OR). Ein Schenkungsversprechen, also die verbindliche Zusage einer künftigen Schenkung, kann zudem widerrufen werden, wenn sich die Vermögensverhältnisse der Schenkerin wesentlich verschlechtern oder neue familienrechtliche Verpflichtungen entstehen (Art. 250 OR).

Der Widerruf einer Schenkung muss innerhalb eines Jahres erfolgen, nachdem der Schenker vom Widerrufsgrund erfahren hat (Art. 251 OR). Stirbt die Schenkerin bzw. der Schenker innerhalb dieser Frist, geht das Widerrufsrecht auf seine Erb:innen über

Erbvorbezug und Rückzahlung bei Pflegefall – Was gilt es zu beachten?

Wer einen Erbvorbezug zulässt, sollte dabei auch vorsichtig sein, besonders im Hinblick auf finanzielle Schwierigkeiten im Alter, wie zum Beispiel bei Pflegebedürftigkeit. Wenn die Person, die den Erbvorbezug gewährt hat, später pflegebedürftig wird und staatliche Unterstützung wie Ergänzungsleistungen benötigt, kann der Erbvorbezug als Vermögensverzicht angesehen werden (Art. 11a Abs. 2 ELG). Das bedeutet, dass der entsprechende Vermögenswert bei der Berechnung der staatlichen Unterstützung berücksichtigt wird. In diesem Fall könnte die pflegebedürftige Person weniger Unterstützung erhalten und schlimmstenfalls auf Sozialhilfe angewiesen sein. Müssen die zukünftigen Erblasser aufgrund der Zuwendung zu Lebzeiten tatsächlich Sozialhilfe beantragen, wird geprüft, ob die Verwandtenunterstützung greift (Art. 328 f.). Demnach können Kinder in besonders günstigen finanziellen Verhältnissen dazu verpflichtet werden, sich am Lebensunterhalt ihrer Eltern finanziell zu beteiligen.

Deshalb ist es wichtig, vor einer solchen Schenkung sicherzustellen, dass genug Geld für den eigenen Lebensunterhalt und mögliche Pflegekosten vorhanden bleibt.

Ein Haus als Erbvorbezug weitergeben

Ein Haus im Rahmen eines Erbvorbezugs weiterzugeben bedeutet, dass die Eigentümer:innen ihr Wohneigentum bereits zu Lebzeiten an ihre zukünftigen Erb:innen übertragen. Dies geschieht häufig zwischen Eltern und Kindern, um die spätere Erbfolge frühzeitig zu regeln, steuerliche Vorteile zu nutzen oder Streitigkeiten bei der Erbteilung zu vermeiden. Die Eigentumsübertragung (egal ob Erbvorbezug / Schenkung oder Verkauf zu einem günstigen Preis) einer Liegenschaft muss in jedem Fall notariell beurkundet werden.

Wird ein Haus als Erbvorbezug auf eines der Kinder übertragen, muss der Wert des Hauses auf den späteren Erbteil angerechnet werden. Der Wert des Hauses muss zum Zeitpunkt der Übertragung klar bestimmt sein. Dies geschieht in der Regel durch eine unabhängige Schätzung durch eine Fachperson, um sicherzustellen, dass der Wert objektiv und marktgerecht ist.

Viele Eltern behalten sich das Recht vor, weiterhin im Haus zu wohnen, auch wenn es formal bereits den Kindern gehört. Dieses Recht kann im Grundbuch als Wohnrecht oder als Nutzniessung eingetragen werden. Das Wohnrecht bedeutet, dass die Eltern das Haus weiterhin bewohnen dürfen, während die Nutzniessung das umfassende Recht beinhaltet, das Haus zu bewohnen und gegebenenfalls zu vermieten und die Einnahmen daraus zu erhalten.

Erbvorbezug und Schenkung – Die steuerlichen Folgen kurzgefasst

In der Schweiz werden Erbschafts- und Schenkungssteuern kantonal geregelt. Zudem gelten unterschiedliche Regelungen für direkte Nachkommen und für entferntere Verwandte oder Dritte. Einige Kantone bieten Freibeträge für nahe Verwandte an, während für entferntere Verwandte oder Dritte hohe Steuersätze anfallen können. Generell gilt:

  • In den meisten Kantonen sind Ehegatt:innen, eingetragene Partner:innen und direkte Nachkommen, also Kinder und Enkelkinder, sowohl bei Erbvorbezügen als auch bei Schenkungen von der Steuer befreit. Hier fallen in der Regel keine Erbschafts- oder Schenkungssteuern an.
     
  • Für Geschwister, Nichten, Neffen oder nicht verwandte Personen können Schenkungs- und Erbschaftssteuern anfallen. Die Steuersätze variieren je nach Kanton und Verwandtschaftsgrad.

Schenkung und Erbvorbezug mit Vertrag regeln – Darauf sollten Sie achten

Ein Erbvorbezug oder eine Schenkung sollte immer in einem schriftlichen Vertrag festgehalten werden, um sowohl für die Erblassenden als auch für die Erb:innen klare Verhältnisse und Rechtssicherheit zu schaffen. Dabei ist es besonders wichtig, den genauen Wert der Zuwendung festzulegen. Handelt es sich um eine Immobilie, muss der Vertrag notariell beurkundet werden und müssen auch allfällige Wohnrechte oder Nutzniessungen schriftlich festgehalten und im Grundbuch eingetragen werden. Der Vertrag sollte auch klar regeln, ob die Schenkung auf den späteren Erbteil angerechnet wird und damit ausgleichspflichtig ist oder nicht, da die Ausgleichspflicht nach schweizerischem Recht die Regel ist, sofern nichts anderes vereinbart wurde.

Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass die gesetzlichen Pflichtteile der anderen Erb:innen gewahrt bleiben. Insbesondere bei Erbvorbezügen muss gewährleistet sein, dass die Zuwendung die Pflichtteilsansprüche der übrigen Erb:innen nicht verletzt. Andernfalls könnten diese eine Herabsetzungsklage geltend machen. Es empfiehlt sich zudem, die Regelungen zur Schenkung oder zum Erbvorbezug auch im Testament zu erwähnen, um eine klare und eindeutige Verteilung des Nachlasses zu gewährleisten. Im Testament kann innerhalb des gesetzlichen Rahmens festgelegt werden, ob und in welchem Umfang eine Anrechnung der Schenkung auf den Erbteil erfolgt und wie mit der Ausgleichspflicht umzugehen ist. Da das Testament nach dem Tod des Erblassenden massgebend ist, sollte es unbedingt mit den Vereinbarungen im Schenkungsvertrag übereinstimmen, um widersprüchliche Regelungen zu vermeiden.

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