Ein Mann und eine Frau diskutieren an einem Schreibtisch.
Ratgeber

Schneller aus der Arbeitsunfähigkeit

Ist jemand über längere Zeit zu 100% arbeitsunfähig, steigt das Risiko für physische und psychische Probleme. Deshalb ist eine rasche Wiedereingliederung wichtig. Das «Ressourcenorientierte Eingliederungsprofil» (REP) hilft dabei.

Ein Unfall mit dem E-Bike, eine schwere Krankheit, eine Depression – das sind nur drei Gründe von vielen, warum jemand monatelang nicht mehr arbeiten kann. Eine lange Arbeitsunfähigkeit belastet. Der persönliche Fokus liegt auf dem Leiden, dazu kommt die Unsicherheit, was noch möglich ist. Man weiss: Je länger die Arbeitsunfähigkeit dauert, desto wahrscheinlicher wird es, ganz aus dem Arbeitsprozess auszuscheiden, gar invalid zu werden.

Auch für das Unternehmen ist die Situation schwierig. Die Arbeit muss ja gemacht werden. Aber wann kommt die ausgefallene Person zurück? Kann eine Aushilfe eingestellt oder können die Aufgaben verteilt werden? Was passiert längerfristig?

Ein nützliches Instrument weist Wege

Wenn jemand über einen längeren Zeitraum vollständig arbeitsunfähig ist, kann das «Ressourcenorientierte Eingliederungsprofil», abgekürzt REP, bei der Rückkehr helfen. Das Instrument wurde von Compasso entwickelt, dem Netzwerk zum Arbeitsplatzerhalt und beruflicher Eingliederung. Es vereinfacht und fördert die Absprache zwischen Arbeitgebenden, Arbeitnehmenden und dem behandelnden Arzt oder der Ärztin.

Wie funktioniert das REP?

Das REP ist ein webbasierter, modularer Fragenbogen. Es umfasst vier grosse Kategorien:

  • Körperliche Anforderungen
  • Anforderungen an Verstand, Denken, Persönlichkeit und weitere psychosoziale Aspekte
  • Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz
  • Spezifische Anforderungen am Arbeitsplatz

Die Fragen werden von der betroffenen Person gemeinsam mit Chef oder Chefin per Mausklick ausgefüllt. Nach und nach entsteht ein komplettes Bild der Anforderungen am Arbeitsplatz. Mit dem ausgefüllten und ausgedruckten Dokument geht die betroffene Person wieder in die ärztliche Sprechstunde.

Neubeurteilung ermöglichen

80% der ärztlichen Bescheinigungen erklären die Mitarbeitenden entweder für voll arbeitsfähig oder voll arbeitsunfähig. Dabei wird die Möglichkeit oft übersehen, dass es einen Weg gibt, der dazwischen liegt: der schrittweise Wiedereinstieg. Mit dem REP in der Hand kann der Arzt oder die Ärztin die Arbeitsunfähigkeit unter zusätzlichen Aspekten neu beurteilen. Danach bestimmen Arbeitgeber und Arbeitnehmende, ob eine teilweise Rückkehr möglich ist und welche Anpassungen es am Arbeitsplatz allenfalls braucht, damit sie gelingt.

Schneller gesund werden

Durch den strukturierten Austausch zwischen allen Beteiligten wird das gegenseitige Vertrauen gefördert. Das Unternehmen kann die Rückkehr der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters besser planen. Und die betroffene Person weiss, dass das Unternehmen an ihrer Rückkehr interessiert ist. Das fördert nicht nur die Integration, sondern auch den Heilungsprozess. All dies dank eines kleinen Online-Fragebogens – mit grosser Wirkung.

Tipps für die Wiedereingliederung

Interview mit Oliver Desponds, Leiter HR Geschäftspartner bei der Mobiliar

Wie geht die Personalabteilung vor, wenn jemand arbeitsunfähig wird?

Wir nehmen im Normalfall nach fünf und nach dreissig Tagen Abwesenheit mit dem oder der Vorgesetzten Kontakt auf. Dazwischen sprechen wir uns ab. Wir schauen, was der Grund für die Arbeitsunfähigkeit ist. Ist jemand physisch krank oder hatte einen Unfall, können wir besser abschätzen, wie lange der Heilungsprozess dauert. Bei psychischen Erkrankungen ist das viel schwieriger. Der Abwesenheitsgrund und die Dauer bestimmen unsere weiteren Massnahmen, zum Beispiel ein Case Management über die Krankentaggeldversicherung oder ein REP.

Porträt Olivier Desponds

Seit wann arbeitet die Mobiliar mit dem REP?

Wir arbeiten seit etwa drei Jahren damit und haben gute Erfahrungen gemacht. In fünf Fällen hat uns das REP bisher geholfen, Mitarbeitende schneller wieder einsetzen zu können, in der Regel zwischen 20 und 40 Prozent. Mit dem REP haben wir ein zusätzliches Instrument zur Verfügung, um unsere Mitarbeitenden in einer schwierigen Situation zu unterstützen, damit sie den Kontakt zur Arbeitswelt nicht verlieren.

Können Sie ein konkretes Beispiel machen?

Wir hatten jemanden im technischen Dienst, der wegen physischer Beschwerden ausfiel. Der Arzt hat ihn zu hundert Prozent krankgeschrieben. Gemeinsam mit seinem Vorgesetzten hat er das REP erstellt und mit seinem Arzt gesprochen. Danach hat er wieder zu 40 Prozent gearbeitet, weil er einen Teil seiner bisherigen Tätigkeiten weiterhin übernehmen konnte.  

Welche Rolle spielen die Vorgesetzten?

Eine ganz entscheidende. Die erfolgreiche Wiedereingliederung hängt sehr stark von der bisherigen Beziehung zwischen der betroffenen Person und ihrem Chef oder ihrer Chefin ab. Gab es ein positives Arbeitsverhältnis und gegenseitiges Vertrauen, ist fast alles möglich. Dann findet man immer Lösungen. Ist kein Vertrauen da – zum Beispiel, weil die Arbeitsleistung nicht stimmte oder aus anderen Gründen – wird es nachher umso schwieriger.

Was passiert, wenn die Wiedereingliederung scheitert?

Grundsätzlich sind wir immer daran interessiert, jemanden zurück ins Unternehmen zu holen – falls das auch von der betroffenen Person gewünscht wird. Wir haben eine soziale Verpflichtung, Kündigungen wollen wir vermeiden. Aber manchmal kann die Kündigung auch die beste Lösung für alle sein, zum Beispiel dann, wenn der Job Grund der Arbeitsunfähigkeit ist. Da hilft auch das REP nicht.

Kann das REP auch negative Effekte haben?

Wenn ein gewisser Druck auf die betroffene Person entsteht, kann sie das überfordern. Viele möchten ja möglichst schnell wieder arbeiten, aber manchmal kann es auch zu schnell gehen. Das entscheidet der behandelnde Arzt.

Welche Ratschläge können Sie geben, damit es mit der Wiedereingliederung klappt?

Bleiben Sie im Austausch mit der arbeitsunfähigen Person, Transparenz ist ganz wichtig. Wenn der Kontakt über längere Zeit abbricht, tendieren die Vorgesetzten immer mehr dazu, die Stelle neu zu besetzen. Sensibilisieren Sie die Vorgesetzten für das Thema. Und informieren Sie die arbeitsunfähige Person. Sie muss wissen, dass ihr Unternehmen sie unterstützt, welche Massnahmen getroffen werden können und welche Absicherung sie hat.

Weitere Informationen

  • Compasso, das Netzwerk zum Arbeitsplatzerhalt und beruflicher Eingliederung mit Links auf das REP 

     Webseite Compasso

  • Die Vorteile des «Ressourcenorientierten Eingliederungsprofils» in einem Erklärvideo zusammengefasst

    Erklärvideo