
Genugtuung, Schmerzensgeld und Schadenersatz
Das gilt in der Schweiz betreffend Genugtuung und SchadenersatzWährend die Genugtuung (Schmerzensgeld) vor allem immaterielle Schäden wie seelisches Leid abdeckt, zielt der Schadenersatz auf den Ausgleich von finanziellen Verlusten ab. Beide können gemeinsam geltend gemacht werden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Doch wie setzt man diese Ansprüche erfolgreich durch?
- Lesezeit: 7 Minuten
- Letztes Update: Januar 2025
Genugtuung oder Schmerzensgeld? Der korrekte Begriff
In der Schweiz herrscht oft Unklarheit über die Begriffe Genugtuung und Schmerzensgeld. Beide Begriffe bezeichnen im Wesentlichen dasselbe, werden aber in verschiedenen deutschsprachigen Ländern verwendet. Der Begriff Schmerzensgeld ist vor allem in Deutschland gebräuchlich. Im schweizerischen Recht wird dieser Begriff nicht offiziell verwendet, obwohl er umgangssprachlich auch zu hören ist. Stattdessen spricht man in der Schweiz rechtlich korrekt von Genugtuung.
Die Genugtuung nach Art. 47 und Art. 49 OR dient dazu, einen finanziellen Ausgleich für erlittenes seelisches oder körperliches Leid zu gewähren. Dabei geht es nicht nur um körperliche Schmerzen, sondern insbesondere auch um das seelische Leid, das durch eine schwere Verletzung oder den Verlust einer nahestehenden Person verursacht wurde. Die schwere Verletzung muss zu einer dauerhaften Schädigung oder einem lang andauernden Heilungsprozess (z. B. mit Spitalaufenthalt) geführt haben. Kein Anspruch besteht bei leichten Verletzungen, zum Beispiel bei Prellungen.
Für die Zahlung der Genugtuung ist grundsätzlich der Schädiger bzw. die Schädigerin verantwortlich. In vielen Fällen tritt dessen Haftpflichtversicherung ein, wenn eine solche besteht und der Schaden versichert ist.
Der Unterschied zwischen Genugtuung und Schadenersatz
Genugtuung und Schadenersatz werden oft verwechselt, decken jedoch unterschiedliche Bereiche ab. Während die Genugtuung für immaterielle Schäden geleistet wird, bezieht sich der Schadenersatz auf konkrete finanzielle Verluste. Beide Ansprüche können gleichzeitig bestehen, aber sie dienen verschiedenen Zwecken. Schadenersatz gleicht den tatsächlich erlittenen Vermögensschaden aus, die Genugtuung bietet eine Form der Wiedergutmachung des seelischen Schmerzes.
Voraussetzungen für Genugtuung in der Schweiz
Damit eine Person in der Schweiz Anspruch auf Genugtuung hat, müssen folgende Voraussetzungen gemäss Art. 47 und 49 OR erfüllt sein:
- Schwere Schädigung: Die Verletzung muss eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen. Dies kann eine schwere Körperverletzung, eine dauerhafte Behinderung oder auch der Tod einer nahestehenden Person sein. Auch eine schwere psychische Beeinträchtigung, wie z.B. der Schock über den Verlust einer nahestehenden Person, kann einen Anspruch auf Genugtuung begründen.
- Verschulden des Schädigers oder der Schädigerin: Die schädigende Person muss die Verletzung absichtlich oder fahrlässig verursacht haben. In gewissen Fällen greift auch die Kausalhaftung. Dies bedeutet, dass der Schädiger oder die Schädigerin unabhängig von einem Verschulden haftbar gemacht werden kann. Beispiele: Fahrzeughalter:innen haften bei Unfällen, Arbeitgeber:innen bei betrieblichen Unfällen, Tierhalter:innen bei Schäden, die durch ihre Tiere verursacht werden, oder Hersteller:innen bei fehlerhaften Produkten.
- Kausalität: Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Handlung des Schädigers oder der Schädigerin und der erlittenen Verletzung bestehen.
Gibt es eine Genugtuungstabelle bzw. Schmerzensgeldtabelle für die Schweiz?
Die Höhe der Genugtuung wird in der Schweiz individuell nach den Umständen des Einzelfalls festgesetzt. Massgebend sind unter anderem das Ausmass des erlittenen psychischen Leids, die Schwere der körperlichen Verletzung, die Schwere des Verschuldens sowie weitere relevante Faktoren wie Dauer und Intensität der Beeinträchtigung. Es gibt somit keine gesetzlich festgelegte Genugtuungstabelle in der Schweiz, wie dies in anderen Ländern der Fall sein kann.
Genugtuung nach einem Unfall oder bei Körperverletzung einfordern: Wie vorgehen?
Wenn Sie nach einem Unfall eine Genugtuung geltend machen wollen, müssen Sie in der Regel diesen (stark vereinfacht dargestellten) Prozess durchlaufen:
- Sie sind beweispflichtig. Dokumentieren Sie den Schaden deshalb umfassend. Dazu gehören fachärztliche Berichte, die das Ausmass Ihrer körperlichen oder psychischen Schäden bestätigen. Und, falls vorhanden, ein Unfallbericht, der den Unfallhergang detailliert beschreibt.
- Wenn der Schädiger oder die Schädigerin über eine Haftpflichtversicherung verfügt, wird er bzw. sie in der Regel seine bzw. ihre Versicherung informieren. Es kann sinnvoll sein, sich parallel direkt an die Versicherung des Schädigers / der Schädigerin zu wenden, um sicherzustellen, dass Ihr Anspruch bearbeitet wird. Sie haben ein direktes Forderungsrecht gegenüber der Haftpflichtversicherung des Schädigers / der Schädigerin.
- Formulieren Sie Ihre Genugtuungsforderung klar und strukturiert. Die Unterstützung durch einen Anwalt, eine Anwältin oder ein:e Berater:in kann dabei hilfreich sein. Ihr Antrag sollte folgende Punkte enthalten:
- Ausmass der Verletzung
- Dauer der Beeinträchtigung
- Höhe der Genugtuung: Da es in der Schweiz keine festen Tabellen zur Berechnung der Genugtuung gibt, können frühere Gerichtsurteile als Orientierung dienen. Ein Anwalt oder eine Anwältin kann Ihnen helfen, eine realistische Forderungshöhe zu bestimmen.
- Nachdem Sie Ihre Forderung eingereicht haben, wird die Versicherung des Schädigers oder der Schädigerin in der Regel selbst versuchen, sich mit Ihnen zu einigen. Kommt es zu keiner Einigung, steht Ihnen der Rechtsweg offen. In diesem Fall entscheidet das Gericht über die Höhe der Entschädigung. Dies ist jedoch erst der letzte Schritt, wenn alle aussergerichtlichen Verhandlungen gescheitert sind.
Und wozu dient der Schadenersatz?
Nach Schweizer Recht dient der Schadenersatz dazu, eine geschädigte Person für erlittene materielle Verluste oder Kosten, die durch das Verhalten einer anderen Person entstanden sind, finanziell zu entschädigen. Der Schadenersatz bezieht sich auf Sach- oder Personenschäden. Er entspricht der Differenz zwischen dem Vermögen, das man ohne das schädigende Ereignis hätte, und dem Vermögen, das man jetzt tatsächlich hat.
Schadenersatzansprüche
Ein Schadenersatzanspruch entsteht, wenn eine Person durch das schuldhafte Verhalten einer anderen einen finanziellen oder materiellen Nachteil erlitten hat. Dazu gehören unter anderem:
- Reparatur- oder Wiederherstellungskosten: Wenn ein beschädigter Gegenstand ersetzt oder repariert werden muss. Es wird nur der Zeitwert ersetzt, also der aktuelle Wert des beschädigten Gegenstands unter Berücksichtigung von Alter und Abnutzung.
- Heilungskosten: Kosten, die durch medizinische Behandlungen oder Rehabilitation nach einer Verletzung entstehen.
- Verdienstausfall: Wenn der Schaden zu einer Erwerbsunfähigkeit führt, kann der Verdienstausfall ersetzt werden.
- Haushaltsschäden: Kosten für Ersatzhilfen im Haushalt, wenn die geschädigte Person wegen der Verletzung ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann. Auch ohne konkrete Kosten für eine Haushalthilfe kann hier Schadenersatz gefordert werden.
- Auch entgangener Gewinn (Art. 42 OR) kann als Schadenersatz geltend gemacht werden. Dies betrifft beispielsweise Unternehmen oder Selbstständige, die durch den Schaden finanzielle Einbussen erlitten haben.
- Bei grösseren Haftpflichtfällen stellen auch die Anwaltskosten eine Schadenersatzposition dar.
- Kein ersatzfähiger Schaden ist entgangener Feriengenuss oder sonstige nutzlos gewordene Aufwendungen (da die Aufwendungen bereits zuvor getätigt wurden).
Voraussetzungen für Schadenersatz
Um Schadenersatz geltend zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss ein messbarer Vermögensnachteil entstanden sein. Dieser Schaden kann materieller Natur sein (z. B. Beschädigung von Eigentum) oder in Form von finanziellen Verlusten (z. B. Behandlungskosten, Erwerbsausfall) vorliegen.
- Die Handlung, die den Schaden verursacht hat, muss rechtswidrig sein. Dies bedeutet, dass der Schädiger oder die Schädigerin eine Rechtspflicht oder Sorgfaltspflicht verletzt haben muss.
- Die schädigende Handlung muss den Schaden unmittelbar verursacht haben (Kausalität).
Schadenersatztabelle
In der Schweiz gibt es keine gesetzlich festgelegte Schadenersatztabelle. Stattdessen wird der Schadenersatz individuell auf Basis der Umstände des jeweiligen Einzelfalls berechnet. Gerichte und Versicherungen orientieren sich dabei an der Art des Schadens, der Höhe des Schadens und an früheren Gerichtsurteilen (Präzedenzfällen).
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