Arbeit ist auch Therapie
Herr A. M.*, 58-jährig, erlitt während der sportlichen Betätigung im Turnverein einen Herzstillstand und musste 25 Minuten lang reanimiert werden. Dank seinen Turnerkollegen, die rasch reagierten und eine Herzmassage richtig anwendeten, überlebte er. Doch die Folgen waren schwerwiegend.
Lesezeit: 3 Minuten Letztes Update: Juni 2024
Nach 10 Tagen im Koma auf der Intensivstation folgte eine vierwöchige Rehabilitationsphase. Anschliessend konnte er nach einem insgesamt dreimonatigen Ausfall die Arbeit wieder vollumfänglich und ohne Einschränkungen aufnehmen. Wiederum drei Monate später wurde er infolge einer grossen psychischen Belastung zu 100% arbeitsunfähig. A. M. hatte das Nahtoderlebnis nie verarbeitet. Zudem fanden im Unternehmen Umstrukturierungen statt, die von ihm als zusätzliche Belastung empfunden wurden.
Case Management ist aktive Betreuung
Als Case Managerin habe ich A. M. nach dessen Herzstillstand betreut. Im Gespräch mit der Ehefrau erfuhr ich, dass sie bei ihrem Mann seit dem einschneidenden Ereignis Einschränkungen wie Gedächtnislücken, Konzentrationsstörungen und gar Gedächtnisverlust wahrgenommen hatte. So konnte sich A. M. beispielsweise an gewisse gemeinsame Erlebnisse nicht mehr erinnern.
Mit dem Arbeitgeber und dem behandelnden Arzt klärte ich Möglichkeiten für eine Weiterbeschäftigung von A. M. ab. Während viele Mitarbeitende infolge der Umstrukturierung ihre Stelle verloren, konnte für die versicherte Person eine neue Tätigkeit mit einer Lohneinbusse gefunden werden. Allerdings garantierte der Arbeitgeber, A. M. bis zu seiner ordentlichen Pensionierung als Chauffeur beschäftigen zu können.
Positives Fazit
Als Folge von gesundheitlichen Einschränkungen füllten A. M. und ich gemeinsam eine IV-Anmeldung aus. Mit Hilfe der IV wurde die Notwendigkeit einer externen Umplatzierung abgeklärt, um die Lohneinbusse abzufedern. Nach anfänglicher Skepsis aufgrund der Lohneinbusse entwickelte A. M. eine gewisse Freude an seiner neuen Tätigkeit als Chauffeur, weshalb die Umplatzierung nicht mehr im Vordergrund stand. Die IV prüfte daraufhin eine wirtschaftliche Rente, lehnte diese Möglichkeit jedoch letztlich ab.
Angesichts der kritischen Ausgangslage und deren tiefgreifenden Folgen lässt sich gleichwohl eine positive Bilanz ziehen: Die heutige Tätigkeit als Chauffeur mag aus betrieblicher Sicht eine weniger verantwortungsvolle Arbeit sein als zuvor als Betriebsleiter. Auch die Lohneinbusse ist vorhanden. Dem steht jedoch eine relativ sichere Anstellung gegenüber, die dem 58-Jährigen aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen und verminderten Belastbarkeit entgegenkommt. Allen Beteiligten ist zudem bewusst, dass die Gesundheit das höchste Gut und wichtiger ist als materielle Werte.
Berufliche Wiedereingliederung im Fokus
Aus meiner langjährigen Erfahrung lassen sich die massgebenden Vorteile des Case Managements wie folgt zusammenfassen:
- Die ressourcen- und lösungsorientierte Unterstützung und Betreuung vor Ort fördert die rasche und bestmögliche Genesung und die berufliche Reintegration.
- Der Case Manager arbeitet aktiv und persönlich mit der betroffenen Person zusammen und übernimmt die Koordination mit dem Arbeitgeber, den behandelnden Ärzten und Therapeuten sowie allen involvierten Versicherungen und weiteren beteiligten Akteuren.
- Datenschutz und Schweigepflicht sind verbindliche Voraussetzungen für die Tätigkeit als Case Manager.
Bei Interesse oder Fragen stehe ich Ihnen gerne für weitere Auskünfte zur Verfügung.
*Name ist der Autorin bekannt.
Autorin
Sibylle Frank
Case Managerin Schweizerische Mobiliar Versicherungs-Gesellschaft AG, Bern