Mini-Schweiz in Reparatur
Unmittelbar vor der Sommersaison zerstört ein Hagelgewitter das grösste Miniatur-Freilichtmuseum der Schweiz. Doch die Swissminiatur bleibt geöffnet. Ein spezieller Schadenfall – auch für die Mobiliar.
Kleine Dampfschiffe, Eisenbahnen und Luftseilbahnen zirkulieren vor herrlichen Landschaften. Besucherinnen und Besucher flanieren zwischen Schlössern und Chalets. Hin und wieder jauchzt ein Kind auf einem vorbeiratternden Zug und winkt. Swissminiatur, das grösste Miniatur-Freilichtmuseum der Schweiz, befindet sich in Melide TI, nur einen Katzensprung von Lugano entfernt.
Getrübte Idylle
Erst bei genauem Hinsehen fällt auf, dass die Idylle an einigen Stellen getrübt ist. Auf Schiffen fehlen Bänke und Zubehör, einige Gebäude haben löchrige Dächer, andernorts fehlen kleine Teile oder gar das ganze Modell, weil es sich gerade zur Reparatur in der Werkstatt befindet.
Ein heftiges Hagelgewitter hat am 30. Mai über dem Freilichtmuseum gewütet und grosse Schäden verursacht – kurz nach Betriebsschluss, nachdem alle Mitarbeitenden den Platz verlassen hatten. Vier Zentimeter grosse Hagelkörner zerstörten Dächer, 400 kleine Autos und nahezu die gesamte 3500 Meter lange Miniatur-Bahnlinie. Zu den am stärksten beschädigten Modellen gehören der Bahnhof von Sion und die Piazza Grande in Locarno mit all ihren 5515 Stühlen und der Grossleinwand des Filmfestivals. Eine Woche vor dem Hagelschlag war die ganze Swissminiatur mit rund 6000 Blumen neu bepflanzt worden – der Hagel zerstörte sie alle.
Alessandro Rezzonico, Vizedirektor Swissminiatur
Weniger Gäste, aber viel Hilfe
«Es war niederschmetternd. Wie wenn Räuber über die Anlage hergefallen wären», erzählt Alessandro Rezzonico, der Vizedirektor der Swissminiatur. Obwohl sich die sechzigjährige Anlage unter freiem Himmel befindet, hat sie bisher fast jedes Unwetter glimpflich überstanden. Grössere Schäden gab es letztmals 1984, damals Sturmschäden.
Fabio Osorio, Schadenchef der Mobiliar in Lugano, ging bereits am nächsten Morgen vorbei, um den Schaden zu besichtigen. «Das hat uns gutgetan», sagt Rezzonico. «Auch der Generalagent der Mobiliar in Lugano hat angerufen und uns moralisch unterstützt.»
Die Medien berichteten über die zerstörte Mini-Schweiz. «Im Juni hatten wir rund 30 Prozent weniger Besucherinnen und Besucher, obwohl wir stets geöffnet blieben», sagt Alessandro Rezzonico. «Oberste Priorität hatte für uns, die beschädigten Modelle auf die Schnelle so instand zu setzen, dass den Gästen die Schäden möglichst wenig auffallen.» 20 Freiwillige unterstützten die Mitarbeitenden mehrere Tage dabei, den Park zu reinigen und neu mit Blumen zu bepflanzen. Nach drei Wochen sah die Anlage schon wieder aufgeräumt aus und war neu bepflanzt. «Wir sind enorm dankbar, für all diese Hilfe!», erzählt Rezzonico. Auch die Besucher:innen seien bald wieder in Scharen gekommen.
Fabio Osorio, Schadenchef der Mobiliar
Handarbeit und 3-D-Druck
Nicht alle Modelle wurden beschädigt. Neuere aus stabileren Materialien wie PVC Kunststoff überstanden den Hagelschlag gut. Etwa das UNO-Gebäude in Genf: «Hier gingen nur kleine Details kaputt – alle 193 Fähnchen aus widerstandsfähigem Aluminium blieben ganz», sagt Rezzonico.
Dort, wo es Schäden gab, ist die Behebung jedoch komplex. Neben augenfälligen Defekten gilt es, unzählige Details zu reparieren. Geflickt werden die kaputten Modelle von 14 Mitarbeitenden, davon mehrere ausgebildete 3-D-Dekorateure und -Dekorateurinnen, sowie rund 20 Freiwilligen. Die Gäste können ihnen zuschauen – beim Ausschneiden, Flicken, Kleben, Pinseln, Malen. Vieles ist Handarbeit. Aber nicht nur. «Inzwischen reparieren wir nicht nur mit neuen, stabileren Materialien – wir stellen auch immer mehr Objekte mit dem 3-D-Drucker her», erklärt Alessandro Rezzonico.
Ältere Dachziegel sind noch von Hand gemacht. Anstatt nun jeden Einzelnen zu reparieren, drucken Angestellte ganze Ziegelreihen mit dem 3-D-Drucker. Oder Locarnos Piazza Grande: Viele der über 5000 einzeln geklebten Stühle spickten beim Hagelschlag in alle Winde (s. Bild). «Die kleben wir nicht mehr einzeln. Nun drucken wir Reihen mit zehn Stühlen im 3-D-Drucker. Dann bemalen wir sie und setzen eine Reihe auf einmal ein.» Genau nach Plan, so, dass sie ein Leopardenmuster darstellen – wie auf der richtigen Piazza Grande.
Schadenerledigung ist komplex
Die Erledigung des aussergewöhnlichen Schadenfalls ist auch für die Mobiliar komplex. «Wir haben keine Vergleichswerte, denn die Swissminiatur ist in ihrer Art einzigartig», erklärt Schadenchef Fabio Osorio. «Es geht um unzählige Einzelteile, teils handgemacht, teils maschinell gefertigt. Da ist es schwierig, die Schadensumme genau zu beziffern.» Zudem fehle die Erfahrung mit dieser Art von Reparaturen, und die Grenze zwischen Schadenbehebung und Unterhalt sei oft fliessend. «Gegenseitiges Vertrauen ist in solch einem Fall wichtig», sagt Osorio.
Dem pflichtet Alessandro Rezzonico bei: «Wir reden sehr offen miteinander.» Er informiere transparent darüber, wie sie bei den Reparaturen vorgehen. «Ich fühle mich von der Mobiliar bestens unterstützt.»
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