«Es braucht ein Umdenken»
Eine Antwort auf viele Probleme: Simon Schudel, Fachspezialist Geoanalyse & Naturrisiken bei der Mobiliar, erklärt, welche Rolle Schwammstadt-Projekte für urbane Räume spielen.
Sind Schwammstadt-Massnahmen erst durch den Klimawandel aufgekommen?
Simon Schudel: Das klimaoptimierte Regenwasser-Management ist in einigen grossen Städten schon länger ein Thema. Das Zusammenfassen verschiedener Massnahmen unter dem Begriff «Schwammstadt» hat aber erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Es findet ein Paradigmenwechsel statt.
In welcher Hinsicht?
Früher ging es darum, Regenwasser möglichst rasch in die Kanalisation abzuleiten, um Schäden zu verhindern. Heute findet eine Rückbesinnung auf natürliche Prozesse statt. In einer unverbauten Naturlandschaft spielt die Versickerung und Verdunstung eine wichtige Rolle im Wasserkreislauf.
Sind Schwammstadt-Projekte ein Allheilmittel gegen die Auswirkungen des Klimawandels, sprich heissere Sommer und heftigere Niederschläge?
So weit möchte ich nicht gehen, aber es ist eine vielversprechende Lösung und eine Antwort auf mehrere Probleme. Zum Beispiel sommerliche Hitzeinseln, gefährlichen Oberflächenabfluss, verminderte Biodiversität oder verringerte Aufenthaltsqualität aufgrund grosser versiegelter Flächen.
Schwammstadt-Massnahmen entfalten ihre Wirkung kleinräumig – zum Beispiel in einer Quartierstrasse. Ist das in Anbetracht des sich verändernden Klimas nicht nur ein Tropfen auf den heissen Stein?
Mit einzelnen Massnahmen ist es noch nicht getan. Es braucht ein grundsätzliches Umdenken. Schwammstadt-Elemente sollten bereits bei der Planung jeder neuen Strasse oder Sanierung berücksichtigt werden. So werden urbane Räume in20 Jahren anders aussehen.
Die Mobiliar unterstützt die öffentliche Hand bei Klimaanpassungsmassnahmen. Was kann ich als Privatperson tun?
Das Schwammstadt-Prinzip funktioniert in verschiedenen Grössenordnungen. Man kann ganze Parks, Plätze oder Strassen entsprechend gestalten, erzielt aber auch auf kleinen Flächen im Privaten eine Wirkung. Ich denke dabei an die Entsiegelung des eigenen Parkplatzes, die Nutzung von Regenwasser im Garten oder die Begrünung der Fassade oder des Velounterstands. Naturgartenbauer: innen sind eine gute Anlaufstelle für die Umsetzung.
Wie weit ist die Schweiz im internationalen Vergleich?
Das Thema hat Fahrt aufgenommen. Im Vergleich mit den Pionieren Holland und Dänemark besteht aber noch Aufholbedarf.
Kopenhagen soll besonderen Vorbildcharakter haben.
Die dänische Hauptstadt hat das Schwammstadt-Prinzip strategisch verankert. Der sogenannte Wolkenbruchplan, eine Folge der verheerenden Unwetter im Sommer 2011, wird in der ganzen Stadt konsequent umgesetzt. Strassen dienen im Notfall als Wasserwege, Parks als Rückhaltebecken. In Kopenhagen wird sehr vernetzt geplant und gross gedacht.