Versicherungen statt Koteletts
Früher Koteletts, heute Versicherungen: Spitzenschwinger Michael Bless hat seinen Berufswechsel gut verdaut.
Triumph in seiner Heimat: Michael Bless gewann beim Appenzeller Kantonalschwingfest in Stein AR seinen 84. Kranz.
Ein «Versicherungsheini» wollte Michael Bless eigentlich nie werden. Der Appenzeller war Filialleiter einer Metzgerei in Gais, musste seinen Job aber vor sechs Jahren wegen Arthrose in den Fingern an den Nagel hängen. In seiner Stammbeiz legte er dann unverhofft die Basis zu seinem Berufswechsel: Ein Versicherungsberater der Mobiliar machte ihm eine Art Schnupperwoche auf der Generalagentur AusserRhoden schmackhaft. Bless sagte zu. «Ich musste die Klischées rasch revidieren», erzählt der 33-Jährige heute. «Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und interessant.» Und weil die Chemie zwischen ihm und Generalagent Adrian Künzli auf Anhieb stimmte, war der Entschluss schnell gefasst. Michael Bless hatte einen neuen Job.
Sonntagsbraten und Versicherungsfragen
Seit über fünf Jahren verkauft Bless seinen Kunden Versicherungen statt Koteletts. Die Umstellung fiel ihm zu Beginn schwer. «Ich stand mir auch selbst im Weg. Ich hatte zunächst Bedenken, dass die Leute immer noch den Metzger in mir sehen. Die Kompetenzvermutung war halt eine andere.» Früher habe er zu Sonntagsbraten beraten, nun plötzlich in Versicherungsfragen. «Ich habe aber schnell vergessen, dass ich einmal Metzger war.» Seine Kunden auch. Bless überzeugte sie rasch von seinen neuen Kompetenzen.
Der 86fache Kranzgewinner ist eines der Aushängeschilder der Appenzeller Schwingerszene. Seine Bekanntheit sei beruflich zwar kein Nachteil. «Ich komme schneller mit den Leuten ins Gespräch, weil man mich im Dorf halt schon kennt.» Einen Promi-Bonus gebe es aber nicht. «Es ist nicht so, dass mich die Leute anrufen und unbedingt eine Versicherung von mir wollen.»
Weniger Feste, mehr Erholung
Das Nebeneinander von Spitzensport, Beruf und Familie verlangt ein straffes Zeitmanagement. Michael Bless arbeitet auch im Jahr des «Eidgenössischen» vollzeit. So kommt es vor, dass er um 8 Uhr bereits ein Krafttraining hinter sich hat. 2019 ist für Bless besonders dicht befrachtet. Ende Januar kam sein zweites Kind zur Welt, vor kurzem stand die Prüfung zum Finanzplaner an.
Um das Fuder nicht zu überladen, beschränkt sich Bless dieses Jahr auf 12 bis 15 Feste. «So bleibt mehr Zeit für die Regeneration», erklärt der 33-Jährige, der seinem Körper heute mehr Erholung gönnen muss als früher.
Tattoos und Nasenrümpfer
Michael Bless sorgt auf dem Schwingplatz nicht nur mit guten Leistungen für Aufsehen. Auch seine Tätowierungen fallen auf. Sein Faible für Körperkunst kommt nicht überall gleich gut an. Konservative Kreise im Eidgenössischen Schwingerverband rümpfen die Nase und haben ihn auch schon öffentlich dafür kritisiert. «Wenn der Verband keine anderen Sorgen hat, geht es ihm wirklich gut», meint Bless, den solche Kritik kalt lässt. «Meine Tattoos sind eine Art Tagebuch. Sie erinnern mich an Geschichten aus meinem Leben.» Der Säntis, das Ausserrhoder Kantonswappen und die winzigen Fussabdrücke seiner Kinder sind nur einige Sujets, die seinen muskulösen Körper zieren.
Der ehemalige Metzger verkauft seinen Kunden heute Versicherungen statt Koteletts.