«Es gibt mehr als eine Wahrheit»
Die Mediatorin Elena Lanfranconi Jung repariert keine gebrochenen Herzen. Aber sie bringt zerstrittene Paare an einen Tisch und gute Einigungen auf den Weg. Die richtige Lösung finden müssen ihre Klienten selbst.
Mediation braucht Struktur: Vereinbartes hält Elena Lanfranconi auf Plakaten fest.
Das Ende einer Beziehung kann sich anfühlen wie das Ende der Welt. Aber auch dann muss zwischen ExPartnern noch vieles geregelt werden. Es gibt Verfahren, die dabei helfen. Eines davon ist die Mediation. Sie erzeugt AhaErlebnisse für neue Perspektiven. Zieht Konflikten den Stachel. Verhindert den Gang vors Gericht. Und ermöglicht Kindern nach einem Jahr Funkstille wieder den Kontakt zum Vater. All dies sind grosse und kleine Erfolge von Elena Lanfranconi Jung. Die 33Jährige ist Rechtsanwältin und Partnerin in jenem Luzerner Anwaltsbüro, wo sie seit fünf Jahren als Mediatorin tätig ist. Wie funktioniert Mediation? «Mediation ist ein Modell zur Konfliktbearbeitung», erklärt Lanfranconi. «Es befähigt Menschen, ihre Konflikte selbst zu lösen.» Dafür braucht es Regeln und Strukturen, darunter hohe Eigenverantwortung, transparenten Informationsaustausch und die Abmachung, dass das Gehörte nicht in einem Gerichtsverfahren verwendet werden darf.
Streiten mit System
Zerstrittene Eheleute sitzen in ihrem Büro. Elena Lanfranconi beginnt die Sitzung mit einem Mediationsvertrag, der die Regeln der Zusammenarbeit fixiert. Danach werden die Themen gesammelt – Sorge und Besuchsrecht, Kinderkosten, Wohneigentum etc. – und Fairnesskriterien für die Lösung vereinbart. Jetzt startet der Mediationsprozess. Konflikte und Altlasten werden angesprochen. «Dahinter stehen oft tiefer liegende Bedürfnisse», weiss Elena Lanfranconi. Sie führt Einzelgespräche, die andere Person hört zu. Die Mediatorin mahnt: «Nur IchBotschaften, Vorwürfe sind verboten.» Protokolle und Visualisierungen unterstützen und dokumentieren den Fortschritt. Auch mit den zwei Kindern des Paars, acht und dreizehn Jahre alt, führt sie Gespräche. Ihre Bedürfnisse fliessen in die Lösung ein, die nach fünf Sitzungen erzielt wird. Ein langwieriges, teures Gerichtsverfahren wird vermieden. Elena Lanfranconi ist Mutter und arbeitet 70 Prozent. Ihre Arbeit ist fachlich und emotional anspruchsvoll. Sie achtet auf eine gute Mischung der Fälle, plant viel Zeit für die Vor und Nachbearbeitung ein und pflegt den Austausch mit Berufskollegen. Trotzdem nimmt sie manche Fälle gedanklich nach der Arbeit mit. Als Ausgleich zum Job treibt sie regelmässig Sport, modelliert und malt. Was gefällt ihr an ihrer Arbeit am meisten? «Es gibt mehr als eine Wahrheit, weil jede Person ihre eigene Geschichte hat», sagt sie. «Der Weg zur besten Lösung ist deshalb nicht geradlinig, sondern ergibt sich oft über Umwege. Als Mediatorin muss ich meine Annahmen immer wieder hinterfragen. So kann die Lösung, die ich im Kopf habe, ganz anders aussehen als das, was die beiden Parteien am Schluss als gerecht empfinden.»
«Beziehungen bestehen aus Abschieden»
Am häufigsten hat Elena Lanfranconi mit Paaren zu tun mit kleinen Kindern, Kindern im Teenager und jungem Erwachsenenalter oder mit Eheleuten über 50. Ihre Arbeit hat ihre Sicht auf Partnerschaft geprägt. Sie beschreibt Beziehungen als stetigen Prozess kleiner Abschiede, kleiner Scheidungen. «Wir verändern uns, unser ganzes Leben lang. Dem müssen wir in der Partnerschaft Rechnung tragen», sagt sie. Was rät sie Paaren, damit es gar nicht erst zur Trennung kommt? Eine schwierige Frage. Sie überlegt, meint dann: «Erwarten Sie von der anderen Person nie, dass sie intuitiv weiss, was Sie brauchen. Nehmen Sie einander als Individuen wahr. Dass wir einander verstehen, ist nicht selbstverständlich.» Sehr selten hatte sie schon Paare, die sich nach der Mediation doch nicht getrennt haben. Aber auch eine gute Trennung kann ein Happy End sein.