Prix Mobilière 2015
Raphael Hefti gewinnt den Prix Mobilière
Der Prix Mobilière 2015 geht an den 36-jährigen Raphael Hefti. Mit seiner Arbeitsweise macht er Werkprozesse sichtbar, durch die sich Zeit und Ereignis abbilden. Das hat die hochkarätige Jury überzeugt. Der zwischen Zürich und London pendelnde Bieler hat sich gegen sieben weitere Nominierte durchgesetzt.
«Raphael Heftis Arbeiten sind intensiv, spektakulär und poetisch zugleich. Er analysiert die Logik herkömmlicher Produktions- und Verarbeitungsmethoden, beobachtet diese, experimentiert – und findet so stets neue und überraschende Lösungen.», sagt Dorothea Strauss, Juryvorsitzende und Leiterin Corporate Social Responsibility der Mobiliar. Raphael Hefti erhält den Prix Mobilière für sein Gesamtwerk.
Ein zukunftsweisender Förderpreis
Der Prix Mobilière, 1996 geschaffen, ist der älteste Förderpreis einer Schweizer Versicherung. Der Preis ist mit 15 000 Franken dotiert und verbunden mit einem Ankauf für die Sammlung der Mobiliar. Eine Auswahl der letzten Preisträger/innen: 2014: Anna Hilti / 2013: Roman Signer (Spezialvergabe, als Zeichen des „Übergangs“ und dafür, dass das Prädikat „jung“ auch alterslos sein kann) / 12: Claudia Comte / 11: Athene Galiciadis / 10: Pauline Julier / 09: Alexandra Navratil / 08: Guillaume Pilet / 07: Beat Lippert
Wir möchten mit unserem Förderpreis «Prix Mobilière» Kunstschaffende darin bestärken, dass sie durch ihre Werke nach Anschlüssen zu gesellschaftsrelevanten Themen suchen und damit auch entscheidende Impulse für das Verständnis unserer Zeit geben. Vor diesem Hintergrund bitten wir jedes Jahr sieben Kunstspezialistinnen, jeweils eine junge Position (nicht älter als ca. 36 Jahre) für den «Prix Mobilière» zu nominieren; aus dem Kreis der Nominierten wird die Preisträgerin, der Preisträger gewählt. Alle nomierten Künstlerinnen und Künstler werden in einer Ausstellung auf der artgéneve in Genf jeweils Ende Januar einem breiten Publikum vorgestellt.
2015 nominieren: Alexandra Blättler, Kuratorin, Zürich/Bonn / Giovanni Carmine, Direktor Kunsthalle St. Gallen / Mario Casanova, Direktor MACT/CACT, Bellinzona / Peter Fischer, Direktor ZPK, Bern / Fredi Fischli, Kurator, Zürich / Chus Martinez, Leiterin des Instituts Kunst an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW, Basel / Christina Végh, Direktorin Kestnergesellschaft Hannover.
Die Mitglieder der Jury sind: Daniel Baumann, Künstler, Burgdorf / Bice Curiger, Kuratorin und künstlerische Leiterin der Fondation Vincent van Gogh in Arles / Eva Linhart, Kuratorin Museum für angewandte Kunst MAK Frankfurt am Main / Christoph Vögele, Direktor Kunstmusem Solothurn / Patrick Tharin, Die Mobiliar / Bruno Zürcher, Die Mobiliar und Dorothea Strauss, Jury-Vorsitzende, Die Mobiliar.
Bernhard Hegglin, *1989 in Zürich, lebt in Zürich
Bernhard Hegglins Arbeiten sind flüchtig wirkende Zeichnungen, direkt auf Wände und Fensterscheiben angebracht, oder auch unfertig erscheinende Objekte. In ihrer präzise dosierten Mangelhaftigkeit scheinen sie sich unserer bilderüberfluteten Zeit zu verweigern und den Blick auf einen persönlichen Kommentar eines Unbekannten zu lenken. Gerade so, wie wenn man durch den öffentlichen Raum geht und plötzlich von einem Graffiti in den Bann gezogen wird. In Hegglins Arbeiten erscheint also das Motiv der Unfertigkeit, der Unvollkommenheit, als ein besonderer Freiraum, der individuelle Assoziationen zulässt.
Fredi Fischli, freier Kurator in Zürich, nominiert Bernhard Hegglin für den Prix Mobilière 2015; er begründet seine Wahl: «Hegglin arbeitet mit den Spuren und Zeichen des Alltags. Wie ein Graffiti recycelt er Hashtags, Memes, Kritzeleien wie sie unsere Umgebung, unsere Gesellschaft prägen. Seine Arbeit halte ich für gesellschaftlich relevant, da sie kollektive kreative Äusserungen aufgreift, die ansonsten in der bildenden Kunst keine Beachtung finden würden.»
Hannah Weinberger, *1988 in Filderstadt, lebt in Basel
Chus Martínez, Leiterin des Instituts Kunst an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Basel, nominiert Hannah Weinberger für den Prix Mobilière 2015; sie begründet ihre Wahl: «Hannah Weinberger hat eine investigative künstlerische Praxis rund um das Thema Sound entwickelt. Sound – mitsamt seinen sozialen Aspekten – steht auch im Mittelpunkt der neuen, anlässlich der Eröffnung des ‹Campus der Künste› entstandenen Arbeit ‹Art and Life› (2014). Sie spiegelt die Grundzüge in Hannahs Schaffen wider: Ausgehend von einem einfach generierten medialen Setting, entwickelt sich das Werk zu einem kollektiven Konzert, in dem mehrere AkteurInnen/MusikerInnen gemeinsam eine Mischung aus Jamsession und Sozialer Skulptur kreieren. Zentral für Hannah Weinbergers Arbeiten ist die Frage, wie sich ein Raum mithilfe von Klang und kollektiv erzeugtem Sound aktivieren lässt. Das Interesse der Künstlerin an anderen – ob Empfängern oder Mitwirkenden – ist das Movens ihrer künstlerischen Praxis, die im Wesentlichen durch Rezeption, Partizipation und Serialität gekennzeichnet ist. Einfach an sich, strebt ihr Werk nach einem tiefgehenden Verständnis der Orte, die wir besiedeln, ihrer Zukunft, ihrer Bewohner, ihrer Bürger.»
Nicolas Cilins, *1985 in Frankreich, lebt in Genf
Mario Casanova, Direktor MACT/CACT, Bellinzona nominiert Nicolas Cilins für den Prix Mobilière 2015; er begründet seine Wahl: Nicolas Cilins ist ein transmedialer Künstler. Seine Wahl des Mediums ist nicht von der Präferenz einer bestimmten Technik abhängig, sondern hängt vom Thema der Arbeit und von den heute relevanten Kommunikationsmedien ab. Der Fall der Berliner Mauer und der Niedergang der politischen und kulturellen Ideologien gehören zu den zentralen Elementen seines Schaffens und seiner Ästhetik.
Im Rahmen dieses Prozesses bewegen sich seine Themen zaghaft zwischen Sozialkritik, Modernität und Fortschritt. Bei den von Cilins entwickelten Themen geht es nicht um marginale Fragen. Die Verwendung einer präzisen künstlerischen Sprache, das gewählte Format und das visuelle Erlebnis schaffen eine Verbindung zwischen dem Kunstwerk und der Funktion des Künstlers. In diesem Kontext verweist die Botschaft auf die Bedeutung des Mediums, welches sich zwischen institutioneller Legitimation und gesellschaftlicher Wahrheit, zwischen Intimität und Extimität, einer tiefgreifenden Veränderung der sozialen Rollen sowie zwischen individueller Hoffnung und gesellschaftlichen Konventionen bewegt. Die Kunst von Nicolas Cilins ist kein Spiegel, sondern eher die Darstellung einer verinnerlichten Wahrheit.
Nicolas Party, *1980 in Lausanne, lebt in Brüssel
Christina Végh, Direktorin der kestnergesellschaft Hannover, nominiert Nicolas Party für den Prix Mobilière 2015; sie begründet ihre Wahl: «Nicolas Party ist ein Maler, der die Spannung sucht zwischen dem klassischen Tafelbild und Motiven im Genre Stillleben oder Porträt und dessen Entgrenzung im Ornament. So orchestriert der Künstler immer auch die räumlichen und institutionellen Bedingungen, die er antrifft. Diese Praxis setzt bei der Idee der ‹transitiven Malerei› an, einem von David Joselit eingeführten Begriff, der einen Zugriff meint, bei dem die Verwobenheit der malerischen Praxis, gleichwohl historisch wie institutionell, immer miteingeschrieben ist. Bei Party äußert sich diese Haltung, indem er mit befreundeten Künstlern vor Ort kollaboriert und damit neue Reibungspunkte im Zusammentreffen unterschiedlicher künstlerischer Ansätze sucht, indem er situativ Essen und andere Performance-Aktivitäten organisiert, in denen institutionelle Bedingungen und ihre ritualisierten Abläufe eine Umkehrung erhalten oder indem er in Form von Wandmalerei oder bemalten, plastischen Elementen seine märchenhaft surreale Bilderwelt dem Aussenraum einpflanzt.»
Raphael Hefti, *1978 in Biel, lebt in Zürich und London
Was passiert, wenn man rechteckige Stahlstäbe über fünf Jahre hinweg immer wieder stark erhitzt, bis sie glühen, und sie dann wieder erkalten lässt? Sie wirken nach dieser langen Zeit wie archaische Trouvaillen, wie über die Jahrtausende brüchig gewordene Holzstücke. Die Oberfläche ist stark porös und die Stäbe haben sich leicht verformt, doch sie sind weiterhin stabil. Raphael Hefti experimentiert immer wieder mit Materialen und Werkprozessen. Er analysiert die Logik der herkömmlichen Abfolgen bei Produktions- und Verarbeitungsmethoden, ändert diese, sucht und versucht – und findet so stets neue, überraschende und oft auch spektakuläre Lösungen.
Giovanni Carmine, Direktor der Kunsthalle St. Gallen, nominiert Raphael Hefti für den Prix Mobilière 2015; er begründet seine Wahl: «Raphael Hefti sucht in seiner Kunst die Grenzen: die Grenzen der Wahrnehmung, der Möglichkeiten der Technologie, der industriellen Produktion und seiner eigenen physischen Fähigkeiten. Er fügt sich als Künstler in perfektionierte Prozesse ein, die er ‹entführt›, sich aneignet und damit neu definiert.»
Sophie Hofer + Mariann Oppliger, *1981 in Bern, lebt in Biel / *1982 in Bern, lebt in Bern
Die beiden Künstlerinnen Sophie Hofer und Mariann Oppliger verarbeiten in ihren Performances, Aktionen, Installationen, Objekten und Wandarbeiten ihre gesamte Lebenswelt, ihre Erfahrungen, ihre Ansichten und deren Kontext. Mit den häufig handschriftlichen Anmerkungen kommentieren sie ihre eigenwillige Bildsprache und inszenieren einen humorvoll-nachdenklichen Blick auf die Wirklichkeit.
Peter Fischer, Direktor des Zentrum Paul Klee in Bern, nominiert Hofer und Oppliger für den Prix Mobilière 2015; er begründet seine Wahl: «Die Kunst und das Leben sind eins, sofern die Kunst lebendig und das Leben kunstvoll ist. Sophie Hofer und Mariann Oppliger machen den Unterschied nicht, sondern vernetzen 100 Jahre nach Dada und 50 Jahre nach Susan Sontags ‹Notes on „Camp“› alles mit allem und alle mit allen. Ob mobiles Museum, Kulturbus, Heuhaufen oder Gastmahl in Tiflis – ja, Essen und Trinken ist wichtig –, stets wird gelebt statt vermittelt. Dabei geht es den Künstlerinnen um nichts weniger als den lustvollen Versuch, Utopien wahr werden zu lassen.»
Thomas Julier, *1983 in Brig, lebt in Zürich und Brig
Alexandra Blättler, freie Kuratorin in Zürich und Bonn, nominiert Thomas Julier für den Prix Mobilière 2015; sie begründet ihre Wahl: «In seiner künstlerischen Produktion konzentriert sich Thomas Julier hauptsächlich auf Video, Fotografie und Skulptur. Die Möglichkeiten der Digitalfotografie, Bild- und Grafikprogramme sowie computergestützter Produktion bestimmen seine Bilder, Objekte und Rauminstallationen.Motivisch finden sich in seinen Arbeiten kunsthistorische und popkulturelle Verweise ebenso wie die omnipräsente Stadt- und Werbearchitektur des öffentlichen Raumes. Obwohl er mit einem Vokabular uns gängiger Motive – wie eben dem Stadtbild – arbeitet, entziehen sich seine eigenen Fotografien den Konventionen herkömmlicher realistischer Dokumentarfotografie. Stattdessen beschäftigt er sich mit den visuellen Effekten von architektonischen Oberflächen und Strukturen und rückt auf einzigartige und verführerische Art und Weise ins Licht, was uns im Alltag umgibt und prägt und allzu oft unbemerkt bleibt. Seine künstlerische Produktion kann sich in Form, Zeit und Materialität stark unterscheiden.»